Wir möchten das „Team hinter dem Team“ vorstellen – diese Menschen sorgen jenseits des Regattakurses im japanischen Olympiarevier dafür, dass das German Sailing Team auf dem Wasser sein bestes geben kann.
Johanna Wichelmann, Physiotherapeutin
Physiotherapeutin Johanna „Jojo“ Wichelmann pendelt in Japan zwischen dem Olympischen Segel-Dorf und dem Hafen. In ihrem Hotelzimmer und im Teamcontainer macht sie die deutschen Seglerinnen und Segler fit für den Tag auf dem Wasser, behandelt eventuelle Verletzungen und sorgt für optimale Regeneration. „Letzte Woche haben wir viel darangesetzt, Blockaden und Verspannungen durch die ungewohnten Betten im olympischen Dorf und die Nachwirkungen der Anreise zu lösen und den Körper auf den Schritt in das intensive Training vorzubereiten“, berichtet Jojo. Ansonsten ist „Pflege und Prophylaxe“ angesagt: Mobilisierungseinheiten vor und nach dem Segeln, Check der Gelenke auf Beweglichkeit… „wer aufgeregt ist, bekommt auch mal eine Massage zur Entspannung“. Johanna arbeitet für Lubinus-aktiv, das ambulante Rehazentrum an der Kieler Lubinus-Klinik, die eng mit dem Olympiastützpunkt Schleswig-Holstein/Hamburg kooperiert. Schon 2019 beim Test-Event hat Jojo das Team in Enoshima betreut.
Während der Regatten ist die Physiotherapeutin darauf vorbereitet, im Express-Einsatz Seglerinnen und Segler wieder segelbereit für den Tag zu machen. Im Gepäck hat sie unter anderem Eis-Spray, Tape-Rollen, eine scharfe Schere, Pflaster und Wundspray für die schnelle Versorgung von Blessuren. Nach dem Segeln geht es dann ans physiotherapeutische Aufarbeiten des Tages: „Bei viel Wind hängen Svenja und Philipp im Laser über einen langen Zeitraum in einer Belastungshaltung. Da haben sie sich am Ende des Tages auf jeden Fall eine Behandlung des unteren Rückens verdient.“
Im 470er führt die eng geschnallte Trapezhose häufig zu Verspannungen an den Brustwirbeln, den Schultern und im Nacken. Bei den Skiffs und dem Mixed-Katamaran haben die Teams häufig stark belastete Hände und Unterarme; auch Anpralltraumen können vorkommen.
Nicht nur der Körper, auch die Seele kommt bei Johanna wieder in die Balance: Im Schutz des Behandlungszimmers können sich die Segler auch mal aussprechen oder einfach nur einen Moment zurückziehen. „Mit Sicherheit kommen bei mir viele Infos an, die nicht unbedingt nur physiotherapeutischer Natur sind“, sagt die Kielerin; „als Physio ist man eben immer auch ein bisschen Friseur und Lebensberater“.
Olli Freiheit, Bundestrainer Technologie
Beim Bundestrainer Technologie laufen alle technischen Fäden zusammen. Er hält das technische Equipment der Trainer am Laufen, sorgt dafür, dass der Team-Container kühl ist, das WLAN funktioniert und die Leitung zum Team-Meteorologen Meeno Schrader in Deutschland steht – nur einige von Ollis unzähligen Aufgaben.
Gemeinsam mit einem sechsköpfigen Vorbereitungsteam ist Olli bereits Anfang Juli angereist, um in Enoshima alles für die Seglerinnen und Segler vorzubereiten: Vier Container galt es in schwülwarmen 30 Grad Celsius auszupacken, Werkstatt- und Aufenthaltscontainer einzurichten und mit Strom und Internet zu versorgen.
Dank Olli finden die Trainer eine perfekte Infrastruktur, um ihre täglich erhobenen Daten zu dokumentieren, zu teilen und auszuwerten.
Während das Team sich auf seine Wettkämpfe vorbereitet, plant der 32-Jährige Vater zweier Töchter mit dem Logistik-Team in Kiel bereits die geordnete Abreise von Booten und Equipment aus Japan. Dass das German Sailing Team in Enoshima so gut organisiert ist, verdanken wir zu großen Teilen Olli. Arigato Olli!
Daniel Schwarze, Bootsbauer
Das Revier von Bootsbauer Daniel Schwarze ist der Werkstatt-Container und das Zelt vor dem Werkstatt-Container. Hier lagert der 30-jährige seine Schätze: für ihn angepasstes Werkzeug, spezielle Schleifklötze, die er für jede Bootsklasse angefertigt hat, Poly-Harz, Gelcoat, Sikaflex und viele andere Materialien, die er in der täglichen Arbeit einsetzt. Daniel ist beim Institut für Forschung und Entwicklung (FES) angestellt, mit dem der DSV eine enge Kooperation unterhält. Schon bei der WM in Aarhus 2018 hat der Handwerksmeister das deutsche Team begleitet, die Boote für den Wettkampf perfektioniert.
Bei den Olympia-Regatten in Japan erwartet der Berliner eher leichte Reparaturen an den Schwertern oder Ruderblättern der Boote oder Gelcoat-Ausbesserungen nach einem Rempler. Doch auch auf umfangreiche Reparaturen wie nach einem „T-Bone-Crash“ – auf olympischem Niveau eher unwahrscheinlich – wäre unser Team-Bootsbauer Daniel vorbereitet.
Daniel war übrigens in japanischen Gewässern schon selbst seglerisch erfolgreich: 2016 gewann er mit seinem J/24-Team die Weltmeisterschaft in Wakayama.
Craig Mitchell, Rule Advisor
Für Craig Mitchell bedeutete die Vorbereitung auf die Olympischen Spiele Lesen, Lesen und wieder Lesen. Der 48-jährige aus Southampton hat sich durch das rund 200-seitige Regelwerk für die olympischen Segelwettbewerbe in Japan und viele IOC-Dokumente für das Verhalten an Land geackert. Craig, verheiratet und Vater von zwei Kindern, ist der „Rules Advisor“ für das deutsche Segelteam in Japan.
„Auf olympischem Niveau kennen natürlich alle Segler die Wettfahrtregeln des Segelns in- und auswendig“, sagt der World Sailing International Umpire und Judge. Seine Aufgabe für das Team besteht darin, das allgemeine Bewusstsein für die Regeln des Wettbewerbs zu schärfen. „Es geht darum, immer die notwendigen Dokumente und Regeln zur Hand zu haben, aktives Risikomanagement zu praktizieren und dafür zu sorgen, dass die Segler und Coaches das ‚große Ganze‘ nicht aus den Augen verlieren.“
Craig wird die Olympische Regatta via TV-Übertragung und GPS-Tracking vom Bildschirm aus verfolgen, um den bestmöglichen Überblick zu haben. Nach den olympischen Regeln haben weder Trainer noch Segler eine Kommunikationsausrüstung an Bord, daher wird Craig sie nach dem Rennen in der Marina begrüßen, um sich über mögliche Proteste zu informieren und diese dann auszuwerten. „Ich kann eine neutralere Perspektive einnehmen, weil Athleten emotional werden können, wenn sie einen Zwischenfall auf dem Wasser hatten“, sagt Craig. „Ich bringe sie zurück zu den Tatsachen und wir besprechen im Detail, was passiert ist. Dann beurteilen wir die Situation und entscheiden, was zu tun ist.“
In den meisten Situationen kann der Rules Advidor den Protestraum nicht betreten, die Präsentation des Falles muss durch die Segler erfolgen, „aber ich arbeite dafür, dass die Segler die relevanten Fakten klar erkennen und präsentieren. Sie sollen die richtigen Fragen stellen können, um mit positivem Resultat aus der Verhandlung zu kommen.“
Nadine Stegenwalner, Sportdirektorin
Unsere Sportdirektorin nimmt in Japan ihre dritten Olympischen Spiele ins Visier. Japan ist für die 46-Jährige gebürtige Berlinerin geprägt von viel Organisation, Abstimmung mit dem Deutschen Olympischen Sportbund und „Listen, Listen, Listen“: Nicht nur aufgrund der Corona-Schutzmaßnahmen mussten im Vorfeld und vor Ort viele Daten der Segler und Trainer gesammelt und übermittelt, Termine in zertifizierten Corona-Testzentren arrangiert werden, denn nur mit zwei negativen PCR-Tests kurz vor dem Abflug war eine Anreise nach Japan überhaupt möglich.
Wie Olli Freiheit ist auch Nadine bereits Anfang Juli in Enoshima angekommen und hat unter anderem die Unterkünfte für die deutschen Trainer und Sportler vorbereitet. Sie wohnt im olympischen Dorf und ist dort Ansprechpartnerin für alle Fragen der Seglerinnen und Segler. Vor und während der Spiele laufen alle Fäden bei der Sportdirektorin zusammen. Sie hält Kontakt zu Tokyo2020, zum Weltsegelverband World Sailing und zum DOSB, ist als „Verband-Corona Liaison Officer“ (VCLO) verantwortlich für die täglichen Corona-Tests des Teams. In enger Zusammenarbeit mit dem Olympic Performance Manager Marcus Lynch bereitet sie den Boden für erfolgreiches Segeln in Japan.