Im Zeichen des olympischen Segelsports
Vom 10. bis zum 13. September sind im Heimathafen der Segel-Nationalmannschaft die weltbesten Akteure in sechs aktuellen und einer zukünftigen olympischen Disziplin gefordert. In vier dieser Disziplinen geht es für DSV-Crews um Olympia-Fahrkarten, wobei eine Entscheidung bereits vorzeitig gefallen ist. Für das German Sailing Team sind – unterstützt von einer engagierten Landmannschaft – 56 Seglerinnen und Segler sowie 15 Trainerinnen und Trainer beim Heimspiel im Einsatz.
Zu den Höhepunkten der olympischen Hälfte der Kieler Woche 2020 zählt die dritte und finale Regatta der nationalen Ausscheidung im 49erFX: Nach zwei Regatten führen Tina Lutz/Susann Beucke (Chiemsee Yacht Club/Norddeutscher Regatta Verein) das Duell mit Victoria Jurczok/Anika Lorenz (Verein Seglerhaus am Wannsee) beim Stand von 28:16 Punkten mit zwölf Punkten Vorsprung an. „Das wird sehr spannend, denn beide Teams gehören der Weltspitze an“, sagt DSV-Sportdirektorin Nadine Stegenwalner.
59 Crews bilden die stärkste 49erFX-Flotte, die seit der Kieler-Woche-Premiere 2013 jemals in der Strander Bucht durchgestartet ist. Sieben Mannschaften der Top Ten der 49erFX-Weltrangliste treten in Kiel an. Darunter sind die amtierende spanische 49erFX-Weltmeisterin, Matchrace-Olympiasiegerin und Ocean-Race-Weltumseglerin Támara Echegoyen mit Paula Barceló und die holländischen Doppel-Weltmeisterinnen Annemiek Bekkering und Annette Duetz.
Mit diesen und weiteren Hochkarätern wollen sich die beiden 29-jährigen Skiff-Seglerinnen Tina Lutz und Susann Beucke sowie ihre Kontrahentinnen Vicky Jurczok (30) und Anika Lorenz (29) auf Augenhöhe messen, denn auch sie haben eine Reihe Erfolge vorzuweisen: Lutz/Beucke gewannen die Kieler Woche 2013 und 2016. Jurczok/Lorenz konnten sich vor vier Jahren im Kampf um die Olympia-Fahrkarte gegen ihre Dauer-Rivalinnen Lutz/Beucke durchsetzen und segelten vor Rio de Janeiro auf Platz neun. 2017 segelten Lutz/Beucke vor Kiel zum EM-Titel, Jurczok/Lorenz gewannen Bronze. Jetzt starten die Berlinerinnen als Jägerinnen und Kieler-Woche-Titelverteidigerinnen in den finalen Kampf um nur ein deutsches 49erFX-Olympia-Ticket nach Enoshima.
Beide Crews haben sich intensiv auf den „Showdown“ vorbereitet. „Wir haben einen komfortablen Vorsprung und den auch zu Recht. Jetzt wollen wir Gewissheit“, sagte FX-Vorschoterin Susann Beucke aus Strande. „Wir werden uns bei der Entscheidung auf uns und unsere Leistung konzentrieren. Diese Leistung möchten wir dann auch gerne bei den Olympischen Spielen in Japan zeigen.“ Jurczok/Lorenz haben ihre Hoffnung trotz verpatztem Ausscheidungsauftakt bei der WM 2019 nach dem Comeback mit Platz fünf bei der WM 2020 noch nicht aufgegeben. „Wir haben noch eine Chance und die wollen wir nutzen“, sagt Steuerfrau Jurczok.
Die Punkte für die nationale Ausscheidung werden bei der Kieler Woche im 49erFX wie auch in allen anderen Disziplinen, in denen deutsche Olympia-Kandidaten einen Teil ihrer Ausscheidung austragen, so verteilt:
1. Platz = 25 Punkte
2. Platz = 22 Punkte
3. Platz = 20 Punkte
4. Platz = 17 Punkte
5. Platz und absteigend jeweils einen Punkt weniger
20. Platz = 1 Punkt
Was im 49erFX gilt, ist bei der Kieler Woche 2020 auch in den olympischen Disziplinen 49er, Laser, Laser Radial, Nacra 17 und Finn zu beobachten: Die Besten kommen nach Kiel und wollen dabei sein, wenn die größte Regatta des olympischen Segelsports in diesem Jahr steigt. Darunter sind Stars wie Olympiasiegerin Marit Bouwmeester aus den Niederlanden im Laser Radial oder die argentinischen Nacra-17-Olympiasieger Santi Lange und Cecilia Carranza Saroli.
Für das German Sailing Team gehen Laser-Weltmeister Philipp Buhl (Norddeutscher Regatta Verein), die 49er-Vizeweltmeister Erik Heil/Thomas Plößel (Norddeutscher Regatta Verein), Laser-Radial-Steuerfrau Svenja Weger (Potsdamer Yacht-Club) sowie viele weitere Top-Akteure ins Heimspiel vor Kiel. Für Philipp Buhl ist es der erste Einsatz auf der internationalen Segelbühne seit seinem WM-Triumph Mitte Februar. Der 30-jährige hat bereits alle Startbedingungen für seine zweite Olympiateilnahme erfüllt und sagt: „Ich freue mich sehr auf den Einsatz bei der Kieler Woche.“ Erik Heil und Thomas Plößel beenden im Trainingsrevier der Segel-Nationalmannschaft zwar noch die nationale Ausscheidung um die Olympia-Fahrkarte, sind aber rechnerisch von ihren Teamkameraden nicht mehr einzuholen und steuern ihrem zweiten Olympia-Start nach dem Bronze-Coup 2016 in Brasilien entgegen.
Im olympischen Mixed-Katamaran Nacra 17 und in der Frauen-Jolle Laser Radial markiert die Kieler Woche Akt zwei der jeweils dreiteiligen nationalen Ausscheidung. Im Laser Radial kämpft Svenja Weger vom Potsdamer Yacht Club um wertvolle Punkte für Ihr nationales Olympia-Konto. Auf zwei Nacra-17-Rümpfen sind Paul Kohlhoff und Alica Stuhlemmer (Kieler Yacht-Club) mangels ebenbürtiger nationaler Konkurrenz auf ihrem Weg zu den Olympischen Spielen kaum mehr zu gefährden. „Für uns ist die Kieler Woche die erste wichtige Standortbestimmung nach langer Pause. Wir möchten uns gerne vor der eigenen Haustür für die Olympischen Spiele und eine Medaille empfehlen“, sagt der Kieler Paul Kohlhoff. Der 25-Jährige berichtet von intensiven Vorbereitungen auf den ersten großen Einsatz nach der langen Corona bedingten Flaute und erklärt: „Wir haben mit Bundestrainer Oliver Freiheit eine technologische Plattform entwickelt, auf der wir digital auch gegen uns selber segeln können. Da wurde vom DSV extrem nachgerüstet. Auch mit Blick auf andere Bereiche wie Materialtechnik fühlen wir uns besser gerüstet denn je.“
„Das German Sailing Team hat die letzten Monate gut genutzt und intensiv trainiert. Jetzt bleibt abzuwarten, wie das in den auf WM-Niveau besetzten Feldern der Kieler Woche umgesetzt wird“, sagt Nadine Stegenwalner.
Parallel zu den aktuellen olympischen Disziplinen wird während der Kieler Woche vom 10. bis 12. September die Internationale Deutsche Doublehand Meisterschaft ausgetragen. Am Start sind neben rein männlichen Crews auch erste Kandidaten in der für 2024 neu ins Programm gewählten olympischen Disziplin Mixed Offshore. Jeweils ein Mann und eine Frau bilden die Mixed-Mannschaften, die in vier Jahren vor Marseille bei einer Langstrecke über rund 500 Seemeilen auf Medaillenjagd gehen.
Stegenwalner spricht auch für die Aktiven, wenn sie erklärt: „Unser großer Respekt gilt den Organisatoren für die Arbeit und Hingabe, die das Austragen der Kieler Woche in diesem schwierigen Jahr erst möglich gemacht haben. Wir freuen uns alle, dass wieder Wettfahrten stattfinden. Und das vor unserer Haustür am Bundesstützpunkt.“