470er-Vorschoterin Anna Markfort und ihre Mitbewohnerin haben eine ukrainische Seglerin in ihrer Kieler Wohnung aufgenommen. Hier erzählt Anna von den ersten Wochen des Zusammenlebens.
Ich wohne in Kiel in einer Zweier-WG. Als Nastya Winkel in unsere Segel-WhatsApp-Gruppe schrieb, dass sie eine Unterkunft für eine Seglerin aus der Ukraine suchte, war für mich sofort klar, dass ich gerne helfen möchte. Meine Mitbewohnerin hat ihr Studium in Rostock angefangen, möchte aber wieder nach Kiel wechseln. Für die Zwischenzeit suchten wir sowieso eine Zwischenmieterin, also warum nicht dieses Zimmer zur Verfügung stellen? Anfang März ist dann die 21-jährige Anastasiya aus Kiew bei uns eingezogen.
„Was sie beschäftigt, erfahren wir peu à peu“
Wie in jeder WG müssen wir uns aneinander gewöhnen und Rücksicht nehmen. Aber das Zusammenleben klappt unkompliziert, auch weil Anastasiya gut Englisch spricht. Sie hat in Kiew Koreanistik studiert, ist sehr sprachbegabt. Jeden Abend sitzt sie lange vor ihrem Vokabelheft und schreibt deutsche Sätze auf, die wir dann korrigieren. Für Anastasiya ist klar, dass sie die nächsten eineinhalb bis zwei Jahre wohl nicht in ihre Heimat zurückkehren kann. Was sie erlebt hat und was sie beschäftigt, das erfahren wir peu à peu. Sie ist alleine geflohen, die Eltern leben noch in Kiew, ihr Freund sitzt in Odessa fest. Über das Handy hält sie Kontakt mit ihren Freunden und Verwandten, die aktuell in ganz Europa verstreut sind. Natürlich ist sie manchmal im Kopf ganz weit weg, dann aber auch wieder sehr interessiert an dem, was wir so machen.
Wir versuchen, Anastasiya so gut wie möglich beim Start in Deutschland zu helfen. Da war natürlich auch unsere Teamkollegin Nastya Winkel eine große Hilfe, weil sie schon viel Erfahrung hat mit dem, was die Geflüchteten hier erwartet: wo sie sich registrieren müssen, an wen sie sich wenden und welche Hilfen sie bekommen können. Wir haben Anastasiya viel begleitet, beim Eröffnen eines Bankkontos zum Beispiel. Ansonsten machen wir Sachen wie in einer normalen WG, waren zusammen in Kiel unterwegs, kochen gemeinsam, gehen zum Sport… Zwischen den Trainingslagern und Wettkämpfen bin ich allerdings gerade nicht viel zuhause, weshalb auch eine Freundin von mir – ich nenne sie meine Kieler Ersatz-Mutter – viel Zeit mit Anastasiya verbringt.
„Etwas Gutes tun und selber daran wachsen“
Es ist natürlich eine sehr persönliche Entscheidung, jemand in seinen eigenen vier Wänden aufzunehmen. Bei mir war der Wunsch zu helfen größer als das Verlangen nach Privatsphäre. Für mich ist es schon anspruchsvoll, Anastasiya neben dem Training und der Wettkampfvorbereitung zu begleiten. Darüber sollte sich jeder, der einen Geflüchteten aufnehmen möchte, im Klaren sein und die nötige Zeit und Energie mitbringen. Wenn man dem offen gegenübersteht, dann kann einem der Austausch auch sehr viel geben. Das Bewusstsein, dass man etwas Gutes tut und auch selber daran wachsen kann, das hat für mich persönlich unglaublich hohen Wert.
Wir planen unser Zusammenleben vorerst für drei Monate, denn meine Mitbewohnerin möchte gerne zurück an die Uni Kiel wechseln. In dieser Zeit kann Anastasiya schon etwas Deutsch lernen, einen Job suchen und sich orientieren. Als Studentinnen haben wir in der WG nur ein begrenztes Budget. Meine Mitbewohnerin kann sich keine zwei Wohnungen leisten, daher war von Anfang an klar, dass ich dann einfach mehr zahle. Meine Eltern und Großeltern helfen mir mit der Miete, dennoch versuchen wir alle finanzielle Unterstützung zu beantragen, die wir vom Land bekommen können.
Hilfe für Anastasiya: Segelgelegenheit und Segelkleidung gesucht
Jegliche weitere Hilfe können wir sehr gut gebrauchen. Man muss sich das so vorstellen: Anastasiya ist nur mit einer ganz kleinen Tasche in Kiel angekommen. Meine Mutter und ich haben erstmal unsere Kleiderschränke ausgemistet, um ihr eine Auswahl an Sachen zur Verfügung zu stellen, die ihr auch gefallen. Eine große Hilfe wäre Segelkleidung in Größe S-M und Anschluss an eine Laser-Trainingsgruppe in Kiel. Kurzum – jede Hilfe, die Anastasiya hier den Start in das soziale Leben erleichtert, nehmen wir gerne entgegen.“
Wer Anastasiya unterstützen möchte, wendet sich direkt an Anna Markfort: anna@markfortberlin.de oder per Instagram-DM an @annamarkfort.