Die deutschen 470er-Segler haben die turbulente Europameisterschaft der olympischen Zweihand-Jollensegler im italienischen San Remo erfolgreich abgeschlossen. Sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen hatte sich mit Simon Diesch/Philipp Autenrieth (Württembergischer Yacht-Club/Bayerischer Yacht-Club) und Nadine Böhm/Ann-Christin Goliaß (Deutscher Touring Yacht-Club) jeweils eine Crew der German Sailing Teams für die Top Ten und damit die Medaillenrennen qualifiziert.
Dafür waren im launischen italienischen Revier nach zwei komplett ausgefallenen Renntagen – einmal aufgrund von Flaute, einmal aufgrund zu stürmischer Winde – in den insgesamt nur sechs Rennen bis zum Finale höchste Konzentration gefragt. In der Endabrechnung belegten Simon Diesch und Philipp Autenrieth Platz 8. Nadine Böhm und Ann-Christin Goliaß erkämpften mit Rang 3 im Finale Platz 6 in der offenen EM-Wertung, die für die innerdeutsche Qualifikation für die Pre-Olympics maßgebend ist.
Auch der letzte Tag hatte den Finalteilnehmern in Italien noch einmal viel Geduld abgefordert. Die Medaillenrennen mussten in drei bis vier Knoten Wind drei Stunden verschoben werden, bis um 14 Uhr der erste Startschuss für die Frauen fallen konnte. 470er-Frauen-Bundestrainer Marek Chocian hatte die Ausgangssituation für die deutschen Finalistinnen bereits vor dem Showdown erklärt: Angesichts der engen Punktabstände würde vor allem ein gelungener Start sehr wichtig sein, um ins Spiel zu kommen. So hat er es mit seinen Athletinnen im Morgen-Briefing besprochen. Punktrechnerei während des Rennens oder die Konzentration auf nur einen Gegner würden wenig Sinn machen, weil alle so dicht beieinander liegen. Da man nicht alle Rivalen kontrollieren könne, gelte es vor allem sein eigenes bestmögliches Rennen zu bestreiten. Und das taten die 26-jährige Steuerfrau Nadine Böhm und ihre 28-jährige Vorschoterin Ann-Christin Goliaß: Die süddeutsche Crew hatte schon an der ersten Wendemarke Rang vier erobert und machte daraus mit starker kämpferischer Leistung sogar noch Rang drei. Was Nadine Böhm und Ann-Christin Goliaß in der EM-Endabrechnung noch auf Platz sechs klettern ließ. Damit hat das Duo im nationalen Rennen um den Startplatz bei den Pre-Olympics die erste wichtige Hürde genommen und sich gegen alle weiteren Teamkameradinnen in der Segel-Nationalmannschaft, darunter Frederike Loewe und Anna Markfort, die im ersten Teil vor Mallorca hatten punkten können, durchgesetzt.
„Für uns war nach dem holprigen Saisonauftakt bei dieser Europameisterschaft vor allem ein gutes Ergebnis das Ziel“, sagte Nadine Böhm nach dem Finale, „wir sind sehr zufrieden mit dieser Leistungssteigerung. Im Finale ist uns der Start super gelungen, auch das war uns wichtig.“ Zu den Stärken ihrer Crew sagte Nadine Böhm: „Wir ziehen immer an einem Strang, gehen gemeinsam durch Tiefen und Höhen. Wir haben unsere Vorwind-Möglichkeiten ausgebaut, der Speed war hier sehr gut.“ Die finale Bestätigung der Starterlaubnis für die olympische Testregatta allerdings erfolgt für die 470er-Seglerinnen wie für alle deutschen Segler und Seglerinnen erst nach Beendigung aller Europameisterschaften in den olympischen Klassen, der Bewertung durch den Olympia-Segelausschuss (OSA) und Entscheidung der DSV-Sportdirektion. Mit der offiziellen Nominierung der deutschen Pre-Olympics-Starter ist deswegen im Juni nach den noch ausstehenden kontinentalen Titelkämpfen für die Disziplinen Finn, 49er, 49erFX, Nacra 17, Laser und Laser Radial zu rechnen.
Nach den Damen waren am Dienstagnachmittag in San Remo auch die 470er-Männer von Bundestrainer Tytus Konarzewski in ihrem Medaillenrennen gefordert. Mit Rang sechs im Finale segelten der 24-jährige Simon Diesch und sein 28-jähriger Vorschoter Philipp Autenrieth auf Platz acht im EM-Gesamtklassement und haben als erfolgreichste deutsche Crew der beiden für die nationale Ausscheidung relevanten Regatten – Trofeo Princesa Sofía und Europameisterschaft – nun die besten Chancen, für die olympische Testregatta in diesem Jahr in Enoshima nominiert zu werden, wenn sie auch alle weiteren Hürden nehmen können. Es gilt das gleiche Procedere wie bei den Damen. Vorschoter Philipp Autenrieth sagte nach dem Finale in San Remo: „Wir sind mit der EM-Woche insgesamt sehr zufrieden. Unser Start war heute etwas schleppend, daher sind wir im Klassement noch auf Platz 8 zurückgefallen. Unser Feld war wie eine WM besetzt und extrem stark. Wir beenden die Serie mit dem guten Gefühl, dass wir unser Potenzial wieder abrufen können. Jetzt eint uns mit unseren Teamkameraden Malte Winkel und Matti Cipra, die hier etwas Pech hatten, vor allem ein Ziel: Wir wollen bei der WM den Nationenstartplatz für Deutschland im 470er sichern. Das ist in diesem Jahr das A und O. Wir glauben daran, dass wir das schaffen werden.“
470ER EUROPAMEISTERSCHAFT 2019
Männer – Offene EM-Wertung (inkl. Übersee-Crews)
1. Mathew Belcher/Will Ryan (Australien), 8 Punkte
2. Anton Dahlberg/Fredrik Bergström (Schweden), 23 Punkte
3. Jordi Xammar/Nicolas Rodriguez (Spanien), 33 Punkte
7. Simon Diesch/Philipp Autenrieth (Württembergischer YC/Bayerischer YC), 41 Punkte
18. Malte Winkel/Matti Cipra (Schweriner YC/Plauer Wassersportverein), 53 Punkte
Frauen – Offene EM-Wertung (inkl. Übersee-Starter)
1. Camille Lecointre/Aloise Retornaz (Frankreich), 20 Punkte
2. Hannah Mills/Eilidh McIntyre (Großbritannien), 23 Punkte
3. Afrodite Zegers/Lobke Berkhout (Niederlande), 32,4 Punkte
6. Nadine Böhm/Ann-Christin Goliaß (Deutscher Touring YC), 43,4 Punkte
16. Theres Dahnke/Birte Winkel (Plauer Wassersportverein/Schweriner YC), 72 Punkte
21. Luise Wanser/Helena Wanser (Norddeutscher Regatta Verein/ASVW), 99 Punkte
22. Frederike Loewe/Anna Markfort (VSaW/Joersfelder SC), 101 Punkte