Mit dem Finale der World Series in der offenen Kite Foil-Klasse auf Gran Canaria ist die Saison 2021 der Kitesurferinnen und Kitesurfer zu Ende gegangen. Leonie Meyer, Florian Gruber und Jannis Maus aus dem German Sailing Team blicken zurück auf ein erfolgreiches Jahr, planen schon jetzt die kommende Saison und haben die Olympischen Spiele 2024 dabei fest im Blick.
Florian Gruber, 27, sitzt mal wieder in seinem Van und telefoniert. Diesmal allerdings sind Drachen, Boards, Mats und Flügel nicht dabei. Die offizielle Wettkampf-Saison 2021 ist beendet und „war für mich ganz ordentlich“, beurteilt der vielfache Weltmeister aus Garmisch-Partenkirchen seine Ergebnisse ein wenig selbstkritisch. Rang acht in einem fulminanten Endspurt bei der Formula-Kite-WM sei super, „ich kam mit dem Druck am letzten Tag dann gut zurecht“. Aber: „Es war mehr drin.“
Unter die Top-Ten fahren – das ist für den Kitesurfer vom Norddeutschen Regatta Verein selbst auferlegte Pflicht, „aber eigentlich will ich beständig unter die fünf Besten“. Das ist zu Beginn der Saison nicht immer gelungen. „In der Phase lag mein Schwerpunkt doch woanders: Ich habe meine Bachelor-Arbeit im International-Management-Studium geschrieben und abgegeben.“
Danach war der Kopf wieder frei: Platz fünf bei der EM in Montpellier, Rang acht bei der WM vor Sardinien und Platz fünf in der Endabrechnung der World Series nach fünf Veranstaltungen.
Insgesamt ist die Leistungsdichte bei den Kitesurferinnen und Kitesurfer gerade in der olympischen Formula Kite-Klasse dichter geworden. Da sind sich die deutschen Top-Athleten einig und nehmen diese Herausforderung an. Nur wer bei allen Bedingungen Leistung bringen kann, landet am Ende auch ganz vorne. Bei den Saison-Events, aber in drei Jahren auch bei den Olympischen Spielen in Paris, wenn die Kitesurferinnen und -surfer vor Marseille aufs Wasser gehen. „Einer meiner Trainingsschwerpunkte wird deshalb bei Starkwind und Welle liegen“, erklärt Florian Gruber, der ursprünglich vom Binnensee kommt. Das Thema Masterarbeit hat er bewusst verschoben – auf die Zeit nach Olympia 2024.
Jannis Maus: Volle Konzentration aufs Kitesurfen
Sein jüngerer Teamkollege Jannis Maus, 25, aus Oldenburg liegt in den letzten Zügen seiner Masterarbeit, will bis zum Februar 2022 seine Studien im Windkanal zum Thema Windturbulenzen an Turbinen abgeschlossen haben. Und sich dann zu einhundert Prozent seiner Leistungssportkarriere widmen. „Endlich einmal nur Kitesurfen, unter Trainingsbedingungen, bei Wettkämpfen, allein und im Team, bei Leicht- und Starkwind, auf Flachwasser und bei Welle“, sagt der Surfer von den Cuxkitern.
Trotz der wissenschaftlich motivierten Ablenkung („manchmal war ich elf Stunden am Tag für Messungen im Windkanal“) war Jannis Maus zufrieden mit der Saison. „Ich habe mein Potential gesehen“, gibt er sich selbstbewusst. Zu Recht: Zehnter bei der EM, 14. bei der WM und Deutscher Meister, um nur einige Platzierungen zu nennen. Insbesondere der nationale Titel macht ihn stolz: „Es war am Ende ein spannendes 1:1-Duell gegen Florian, und diesmal habe ich gewonnen.“
Nur ein Kitesurfer kann sich für den Olympischen Wettbewerb 2024 qualifizieren – „wir, Florian und ich, werden uns gegenseitig zu noch mehr Leistung pushen und am Ende wird vielleicht einer von uns nominiert“. Jannis Maus freut sich auf die kommende Saison, die für ihn mit einigen Trainingswochen auf Sardinien mit dem italienischen Nationalteam beginnt und dann im German Sailing Team unter Führung von Bundestrainer Chris Rashley weitergeht. Der Brite mit viel Segel- und Kitesurf-Kompetenz betreut seit kurzem die deutschen Leistungskiterinnen und -kiter. „Chris arbeitet unheimlich strukturiert, es gibt zum Beispiel klar formulierte Wochen- und Monatsziele, und ich habe schon jetzt unheimlich viel gelernt“, erklärt Jannis Maus, der sich Manöver, Technik und Taktik meist allein erarbeitet hat. „Chris Rashley hat jede Menge Erfahrung mit schnellen Bootsklassen, und er kann super motivieren“, ergänzt Florian Gruber. Und Leonie Meyer hat „selten so ein effektives Training erlebt“.
Leonie Meyer: Herausforderung auf allen Ebenen
Für Kitesurferin Leonie Meyer, 28, war das ganze Jahr 2021 eine echte Herausforderung. „Und unter den gegebenen Umständen sportlich doch erfolgreich“, sagt die Leistungssportlerin. Im Mai brachte sie Sohn Levi zur Welt, im Oktober beendete sie mit dem zweiten Staatsexamen ihr Medizinstudium in Regelstudienzeit – da musste jede Trainingseinheit auf dem Wasser genau geplant werden. „Schon der Start bei der EM im September war eigentlich ein Kaltstart und endete mit Rang 18“, sagt Leonie Meyer. Bei der WM verpasste sie nur um einen Platz die Gold Fleet, landete in der Endabrechnung auf Rang 27. „Ich habe ein wenig gebraucht, um mit diesen Ergebnissen ins Reine zu kommen“, sagt Leonie Meyer. Irgendwann aber konnte sie sich zugestehen: „Ich habe nicht versagt, alles auf einmal geht irgendwie doch nicht.“
Drei Monate reisten Leonie Meyer, Lebenspartner Darian Rubbel und ihr gemeinsamer Sohn Levi anschließend von Spot zu Spot und von Event zu Event, lebten zu dritt mit wenig Wasser und Strom im Van. „Jetzt geht es darum, wieder den Anschluss zu finden“, erklärt die ehemalige 49er-Steuerfrau. Ja, das Feld der Kitesurferinnen sei insgesamt stärker geworden. Doch Leonie Meyer ist zuversichtlich: „Das schreckt mich nicht ab, das fordert mich vielmehr heraus. Ich weiß, was ich kann.“
Ihr Ziel ist klar definiert: die Qualifikation für die olympischen Formula Kite-Wettbewerbe 2024 und dann dort für Deutschland ganz vorne landen. Ganz bewusst habe sie das Medizin-Examen vor den Start ihrer Olympiakampagne gelegt. Und genauso überlegt und zielstrebig startet Leonie Meyer in die kommende Saison. Schon im Februar reist sie mit ihrer Familie zu den ersten Formula Kite-Events Richtung Südamerika, bevor im April mit der Trofeo Princesa Sofia das erste große europäische Event ansteht.
Jan Vöster neu in der Kaderförderung
Mit Jan Vöster aus Neuenburg am Rhein wird ab dem kommenden Jahr ein neues junges Talent gefördert: Der Kitesurfer vom Württembergischen Yacht-Club gehört dann zur deutschen Jugendnationalmannschaft. Der 17-Jährige hat schon immer viel Zeit am Wasser verbracht, „denn mein Vater ist passionierter Wind- und Kitesurfer“. Da überrascht es nicht, dass auch Sohn Jan Vöster seit 2016 mit dem Kite unterwegs ist. Vor drei Jahren startete er erste Versuche beim Kitefoilen, ein Jahr später erste Wettkämpfe. Seine Erfolgsliste kann sich schon jetzt sehen lassen: Deutscher Jugendmeister, Rang sechs bei der Formula Kite-EM (U19), Platz zwölf bei der Formula Kite WM (U19). Jan Vöster geht als eines von 13 deutschen Nachwuchstalenten bei der Jugend-Weltmeisterschaft im Oman an den Start- Für ihn geht es bei dem Event zunächst einmal um eins: „Viel lernen und richtige gute Rennen fahren.“
Weiter lesen: Deutschlands beste iQFOiLer Lena Erdil und Sebastian Kördel im Interview