Sie haben das German Sailing Team über ein Jahrzehnt mit ihren Leistungen und als Menschen bereichert – jetzt nehmen sie Abschied: Die 49erFX-Seglerinnen Victoria Jurczok (31) und Anika Lorenz (30) sowie Laser-Radial-Steuerfrau Svenja Weger (28) sagen „tschüß“ und setzen ihre Segel künftig mit Kurs auf neue Lebensziele.
Alle drei haben sich ihre Entscheidung nicht leicht gemacht. Sie beenden ihre Leistungssportkarriere mit vielen schönen Erinnerungen, aber auch Wehmut im Herzen. Die Olympiaseglerinnen können sich gut vorstellen, dem Nachwuchs im German Sailing Team künftig neben dem Hauptberuf projektweise als Coaches zur Verfügung zu stehen. Vicky Jurczok sagt: „Ich würde meine Erfahrungen und mein Wissen gerne weitergeben.“ Auch die Psychologiestudentin Svenja Weger sagt: „Ich kann mir gut vorstellen, nebenberuflich als Trainerin für den Nachwuchs am Bundesstützpunkt im Einsatz zu sein.“
Vicky Jurczok: „Wir werden die olympische Community vermissen“
Bei den Skiffseglerinnen Jurczok und Lorenz sind unterschiedliche Gedanken in den einträchtigen Beschluss eingeflossen, das gemeinsame Leistungssportkapitel jetzt zu schließen. Für sie ist die Zeit nach dem jüngst erfolgten Umstieg der 49erFX-Klasse auf neue Riggs und der eigenen längeren Pause bis zu den Olympischen Spielen 24 zu kurz geworden für eine optimale Vorbereitung. „Unser Crew-Gewicht bliebe als Herausforderung“, erklärt Jurczok den mehrmonatigen Entscheidungsprozess, „da geht viel Zeit fürs Gym weg, die aber gleichzeitig auch der Umstieg auf die neuen Riggs und viel Testen erfordern würde. Bei gleichbleibend hohen Zielen hat der Zeitfaktor am Ende den Ausschlag für die schwere Entscheidung gegeben.“ Die inzwischen in München lebende Anika Lorenz und ihre Steuerfrau Vicky Jurczok bleiben über den Abschied von der Skiff-Karriere hinaus Freundinnen fürs Leben. Der gemeinsame Winterurlaub ist schon geplant. „Wir werden die ganze olympische Community und das regelmäßige Wiedersehen vermissen“, sagt Jurczok, „aber es ist toll, dass Anika und ich uns im Sport gefunden haben. Das und so vieles und viele mehr werden bleiben.“
Anika Lorenz: „Du musst lieben, was du tust“
Ihren größten Erfolg errang die Berliner Weltklasse-Crew, die so leidenschaftlich gerne mit den Elementen spielte, Anfang 2016 mit Bronze bei der Weltmeisterschaft vor Clearwater in Florida. „WM-Bronze war auch deshalb so wertvoll, weil wirklich alle Spitzenteams am Start waren“, erinnert sich Jurczok. Damit läutete das Duo damals seine erfolgreiche Olympiakampagne ein und qualifizierte sich in einer spannenden nationalen Ausscheidung für die Olympischen Spiele 2016. In Rio de Janeiros Guanabara-Bucht segelten die deutschen Damen auf Platz neun. „Du musst lieben, was Du tust. Wir lieben, was wir tun“, hatte Vorschoterin Anika Lorenz das gemeinsame Crew-Credo auf den Punkt gebracht. Das taten die beiden nerven- und kampfstarken Frauen vom Verein Seglerhaus am Wannsee auch dann Seite an Seite, wenn es mal nicht nach Plan lief. Jurczoks Rat an die nächste Generation:
„Wir waren richtig oft richtig nah an den Medaillen dran. Wichtig ist: Medaillen kann man sich nicht wünschen, man muss sie sich erarbeiten.“
Das weiß auch Svenja Weger nur zu gut. Auch sie erinnert sich bei ihrem Abschied vom olympischen Leistungssport im German Sailing Team gerne an die herausragenden Momente ihrer Karriere: „Die emotionalsten waren sicher mein Sieg bei der Junioren-WM 2013 und der Senioren-EM 2014. Beide waren am Ende souverän ersegelt.“ Unvergesslich bleibt Wegers erster Segeltag bei den Olympischen Spielen in Japan vor wenigen Monaten, als sie am Abend Spitzenreiterin war und die gesamte Segel- und Medienwelt nach ihr fragte. „Dieser Tag wird mich noch lange, wenn nicht mein Leben lang fesseln“, sagt sie lächelnd. Diese olympische Regatta aber ist es auch, die sie in ihrem vor den Spielen schon angedachten Entschluss zum Karriereende noch einmal zögern ließ: „Die Spiele haben mir die Entscheidung schwerer gemacht, weil ich angeteasert habe, dass ich wirklich segeln kann, es aber nicht zu Ende ausspielen konnte.“ Die Laser-Radial-Steuerfrau beendete die olympische Regatta als Sechzehnte.
Svenja Weger: „Wer sein Ziel kennt, dem kann ich es nur raten“
Für Svenja Weger stehen in naher Zukunft das Studienfinale, die Diplomarbeit, das laufende Praktikum und die Hochzeit mit Tobias Graf im Mai im Mittelpunkt. Sportlich will sie ihre Hobbies Triathlon und Windsurfen intensivieren. „Nächster Höhepunkt ist die Mitteldistanz in Zell am See im nächsten Sommer“, erzählt sie. Auch die blonde Steuerfrau vom Potsdamer Yacht Club, die in den vergangenen Jahren außerdem dem NRV Olympic Team angehörte, wird ihre nationalen und internationalen Freundschaften und Netzwerke vermissen. Dazu „das Gefühl, den Sport als Beruf zu haben“. Das German Sailing Team sei oftmals „wie eine Familie“ gewesen. Eine Leistungssportkarriere würde Weger allen jungen Menschen empfehlen, „die den Traum haben, bei Olympia dabei zu sein und Medaillen gewinnen wollen“. Ihr Rat:
„Man muss sich nur bewusst sein, dass eine Menge Dinge wie ein normales Studentenleben da unterzuordnen sind. Aber wer sein Ziel kennt, dem kann ich es nur raten. Ich werde die Zielorientiertheit vermissen und hoffe, sie so annähernd auch im Beruf erreichen zu können.“
Svenja Weger und die scheidenden Skiffseglerinnen verabschieden sich auch mit einer Portion Demut vom aktiven Leistungssport. „Wir danken allen sehr, die uns auf unserem Weg unterstützt haben“, sagt Vicky Jurczok für ihr VSaW-Team mit Anika Lorenz. Weger dankt „dem DSV, dem Potsdamer Yacht Club als meiner Segelheimat und dort insbesondere Hartmut Papenthin, dem NRV Olympic Team und der Bundeswehr für viel Unterstützung“ in ihrer Karriere. Sie erinnert sich nicht nur gerne an ihre Trainingspartnerinnen wie Pauline Liebig, sondern auch an ihren Teamkameraden Philipp Buhl: „Er ist als Charakter immer wieder beeindruckend, strahlt so viel Positives aus, kümmert sich auch ohne Eigeninteressen im andere, setzt sich persönlich für Dinge ein, die ihm selbst gar nichts bringen.“ Weger hofft, dass der Laser-Weltmeister seine Karriere bis zu den Spielen 2024 fortsetzt und dort erfolgreich sein wird.
DSV-Sportdirektorin Nadine Stegenwalner hatte die drei Spitzenseglerinnen schon früh im Auge, begleitete und betreute sie über fast eineinhalb Jahrzehnte. Die Dirigentin des German Sailing Teams sagt: „Ich habe sie als tolle Seglerinnen und starke wie vorbildlich engagierte Athleten erlebt und als Menschen schätzen gelernt. Diese drei Seglerinnen waren wichtige und mitprägende Mitglieder im German Sailing Team. Ich wünsche Vicky, Anika und Svenja alles nur erdenklich Gute für ihre Zukunft.“