Als Athlet hat er selbst Höhen und Tiefen erlebt und zweimal an Olympischen Spielen teilgenommen. Als Trainer verfügt er über einen großen internationalen Erfahrungsschatz. Als Techniker gilt der Bootsbauer als brillant: Mit dem deutschen 49er Top-Team Erik Heil und Thomas Plößel will Bundestrainer Marc Aurel Pickel um die zweite Medaille kämpfen.
Die Chemie zwischen den 49er-Vizeweltmeistern von 2019 und ihrem Coach stimmt. Der 30-jährige Steuermann Heil und sein 31-jähriger Vorschoter Plößel arbeiten zwar erst seit wenigen Jahren mit ihrem 48-jährigen Trainer zusammen, doch das mit großem Erfolg. „Marc bringt noch einmal andere Stärken wie beispielsweise sein technisches Knowhow und seinen großen Erfahrungsschatz ins Team. So haben wir die Bandbreite unserer Fähigkeiten erweitern können“, sagt Vorschoter Plößel.
Pickel selbst ersegelte bei seiner eigenen Olympia-Premiere vor 20 Jahren mit Thomas Auracher im Starboot Platz zwölf. „Wir hatten damals vor den Olympischen Spielen einige große Events gewonnen und eine wirklich gute Vorbereitung. Aber wir waren auch naiv, hatten keinen eigenen Trainer. Wir haben gedacht, wir fahren dahin und gewinnen eine Medaille.“ Auf der Haben-Seite blieben aber auch Erinnerungen an eine Metropole, deren Menschen das Segeln lieben. „Das war großes Kino für den Segelsport“, erinnert sich Pickel an die Einsätze der Segler vor dem mitgehenden Publikum rund ums berühmte Opernhaus von Sydney.
Als Pickels Vorschoter Tony Kolb seinem Steuermann an Heiligabend 2003 überraschend seinen Ausstieg aus der laufenden Olympia-Kampagne verkündete, nahm Pickel mit Last-Minute-Ersatzmann Ingo Borkowski Kurs auf die Spiele. Das Starboot-Duo bescherte der Segelnationalmannschaft zwar den Nationenstartplatz, musste sich aber in der nationalen Ausscheidung knapp geschlagen geben. Stattdessen betreute Pickel als Coach die Kanadier Ross MacDonald und Mike Wolf, die in Athen olympisches Silber gewannen.
Erfolgsgeschichte P-Star
Parallel ließ der gelernte Bootsbauer seine Erfahrungen im olympischen Zweimann-Kielboot nach der Jahrtausendwende in die Entwicklung eines eigenen Starboot-Entwurfes fließen: Im Dezember 2006 testete Marc Pickel Baunummer eins seines „P-Stars“ erstmals auf der Kieler Förde. Wie gut der Entwurf aus dem deutschen Norden war, dessen Baurechte ein begeisterter Amerikaner erwarb und die Produktion samt Pickel in die USA holte, ließ sich später an der Ergebnisliste der Starboote bei den Olympischen Spielen 2012 ablesen: Neun der Top-Ten-Boote waren P-Stare.
In der Zwischenzeit hatte sich Marc Pickel 2008 noch einmal mit Ingo Borkowski für die Olympischen Spiele qualifiziert. Im chinesischen Revier vor Qingdao segelten sie zusammen auf Platz sieben. Da konnten und wollten sie mehr und hatten die olympische Regatta auch tatsächlich mit einem zweiten Rang eröffnet. Doch trotz des noch folgenden Wettfahrtsieges reichte es für die WM-Fünften nicht ganz zum Sprung aufs olympische Podest.
Nach der aktiven olympischen Segelkarriere, etlichen weiteren Einsätze als Trainer und spannenden Konstruktionsprojekten ist das beschaulichen Dänischenhagen bei Kiel heute die Basis des gebürtigen Wilhelmshaveners, wo Marc Pickel heute mit seiner kleinen Familie lebt. Auf seiner eigenen kleinen Werft baut er mit einem kleinen schlagkräftigen Team unter anderem Container zu verschiedenen Zwecken aus und verkauft sie in alle Welt.
Im Mittelpunkt seines Wirkens aber stehen aktuell die 49er und ihr zweiter olympischer Gipfelsturm nach der Bronzemedaille von Rio 2016.
„Wir wollen Pete und Blair schlagen“
Mit ihrer Silbermedaille bei der WM 2019 in Australien haben Erik Heil und Thomas Plößel ihr Olympiaticket bereits frühzeitig gelöst. Genau das hatte ihr Trainer erhofft: „Es ist absolut super, was Erik und Thomas bei der WM in Australien gezeigt haben. Wir wollten die Olympia-Ausscheidung so schnell wie möglich zu Ende bringen, damit wir uns voll auf die olympische Regatta konzentrieren können“.
Aus Tokyo 2020 wurde im vergangenen Frühjahr Tokyo 2020 One geworden. Die Verschiebung der Olympischen Spiele haben das deutscher 49er-Trio nicht etwa zurückgeworfen, sondern ihnen eine unerwartete Chance gegeben: Denn Pete Burling und Blair Tuke, die neuseeländischen Weltmeister und amtierenden Olympiasieger im 49er, sind aktuell stark im America`s Cup eingespannt.
Während Burling und Tuke vor Auckland den Cupper des Emirates Team New Zealand zum Fliegen bringen, sammeln Erik Heil und Thomas Plößel mit ihren spanischen Trainingspartnern Diego Botin und Iago Lopez Marra intensive Wasserstunden auf Lanzarote. Die deutsch-spanische Trainingsgemeinschaft hat eine lange Tradition, besteht schon seit der Vorbereitung auf Rio 2016. Eine „Traumsituation“ sei das Sparring mit den WM-Zweiten von 2020, sagt Marc Pickel: „Mit Diego und Iago haben wir die stärkstmögliche Trainingsgemeinschaft. Nur so können wir den kleinen Gap zu Pete und Blair noch verkleinern.“ Geheimnisse hätten die Teams trotz einer möglichen Konkurrenz um die Olympiamedaillen nicht voreinander, sagt Marc Pickel: „Die Philosophie der offenen Bücher werden wir auch während der Spiele aufrechterhalten“ – mit dem Ziel, Peter Burling und Blair Tuke den Olympiasieg abzujagen.
Ab Mai soll sich das Training ins Olympiarevier verlagern. An Spekulationen über eine weitere Verschiebung oder Absage will sich Marc Pickel nicht beteiligen:
„Wir bereiten uns zu 100 Prozent darauf vor, dass die Olympischen Spiele stattfinden. Auf alles andere haben wir keinen Einfluss.“
Bis zu drei Medaillen könnten in Tokio für die deutschen Olympiasegler drin sein, tippt der 49er-Coach. „Olympia ist Olympia, das ist ein besonderes Event“, sagt Marc Pickel aus eigener Erfahrung; „in der einen entscheidenden Woche muss alles zusammenkommen,“ um die ersehnte Medaille zu gewinnen. Das Zeug dazu haben seine Männer, davon ist Marc Pickel überzeugt: „Erik und Thomas zeigen Demut, Hingabe und Spaß beim Segeln. Sie sind komplementär, ergänzen sich sehr gut. Sie sind ein starkes Team und es ist eine Freude, mit ihnen zu arbeiten.“