Linus Klasen stieg 2020 von der Zweihandjolle 470er in den ILCA 7 (ehemals Laser Standard) um. Die Wandlung vom drahtigen Vorschoter zum Kraftpaket an der Pinne sei „enorm hart“ hart gewesen, sagt der 21-Jährige, der unter anderem zehn Kilo Körpergewicht zulegte. Im Interview erzählt der Berliner von seinen Fortschritten in der neuen Bootsklasse und seinem Engagement für Kinder weltweit – Linus ist Botschafter von Plan International.
Linus, du hast deine erste volle Saison im ILCA 7 hinter dir. Bist du mit dem Erreichten zufrieden?
Ich kann nicht sagen, dass die Saison perfekt lief. Oft gingen kleine Dinge schief, die aber große Auswirkungen auf die Ergebnisse hatten. Bei der Weltmeisterschaft Anfang November habe ich es dann endlich geschafft, alle über das letzte Jahr hart erarbeiteten Fähigkeiten zusammenzubringen und abzurufen. Zwar verlief auch die WM nicht perfekt, aber ich hatte dort bei enorm anspruchsvollen Bedingungen einen der besten Segeltage bisher. Das war ein sehr emotionaler Erfolg für mich, weil er mir gezeigt hat, dass sich die Mühe des letzten Jahres gelohnt hat.
Du bist 2020 von der 470er-Vorschot in die Einhand-Bootsklasse ILCA 7 gewechselt. Wie hart war bzw. ist der Umstieg?
Es war enorm hart. Vor allem, weil man in das Boot steigt und mehr oder weniger einen Neuanfang macht. Ich habe zwar viel Knowhow aus dem 470er mitgebracht, aber das kann ich erst jetzt nach und nach anwenden. Bisher musste ich mich noch komplett auf das Bootshandling und das sichere Fahren der kippligen Jolle konzentrieren.
Verglichen mit dem bootsbauerisch sehr anspruchsvollen 470er ist der ILCA eher „einfach“. Was reizt dich ausgerechnet daran?
Genau das reizt mich! Der ILCA fokussiert sich auf die seglerischen Basics, und letztendlich gewinnen dort die besten Segler. Im 470er hat man sehr viele Trimmmöglichkeiten, sehr viel Auswahl an Material, an Segelschnitten und man kann sich ja alles individuell zusammensuchen… Da hatte ich oft das Gefühl, dass man das wahre Segeln ein bisschen vergisst. Misserfolge werden schnell auf Fehler beim Trimm oder Material geschoben. Beim ILCA finde ich so reizvoll, dass man von außen eigentlich gar keinen Unterschied zwischen den Booten sieht, einer aber trotzdem schneller ist.
Vermisst du etwas aus der Zeit im Team, also zu zweit? Oder überwiegen die Vorteile, allein an Bord zu sein?
Ich würde mich schon eher als Alleingänger beschreiben, wenn es darum geht, meine volle Leistung zu bringen. Ich kann mich viel besser allein auf mich fokussieren. Aber natürlich gibt es immer Vor- und Nachteile. Erfolge im Team zu feiern beispielsweise: Ich weiß nicht, ob es etwas Schöneres gibt.
Du hast also das Gefühl, dass du deine eigenen Stärken, dein Potential, jetzt besser entfalten kannst?
Ich glaube, dazu bin ich mehr der Typ, ja.
Aus der Zweihandjolle bist du es gewohnt, Entscheidungen gemeinsam mit deinem Steuermann zu treffen und dich austauschen zu können. Wie läuft der Prozess auf dem ILCA?
Wir hatten auf unserem Boot eine klare Rollenverteilung. Jeder hatte seine Aufgaben. Es herrschte ein großes Vertrauen, sodass man die Entscheidung des anderen gar nicht groß hinterfragt hat. Es sei denn, der andere hat darum gebeten. Jetzt habe ich halt ein paar mehr Aufgaben. Aber letztendlich geht es ja allen Sportlern so. Und ich denke, die Komplexität des 470er, die vielen Dinge auf die ich achten musste, haben mich gut gewappnet für den ILCA.
Bist du schon auf deinem Kampfgewicht?
Das war für mich im vergangenen Winter eine riesige Herausforderung, von 73 Kilogramm irgendwann auf das Zielgewicht von 85 Kilogramm zu kommen. Das sind ja 12 Kilogramm Differenz. Am Anfang ging es relativ schnell, denn mit 1,87 Metern bin ich recht groß und kann das Gewicht eigentlich gut zunehmen. Aber wenn man über mehrere Jahre immer relativ wenig gegessen und die Fitnesseinheiten immer mehr auf Ausdauer ausgelegt hat, dann fällt das Zunehmen und das Halten des Gewichts doch gar nicht so leicht. Es läuft über Fitnesstraining und essen-essen-essen, und das zu den richtigen Zeiten. Das hört sich einfach an, ist aber anstrengend, sich so viele Gedanken um die Mahlzeiten zu machen. Über den Winter habe ich es auf stabile 82 Kilo geschafft. Ein bisschen Luft ist noch nach oben. Aber ich habe mich damit gut abgefunden und mental hat es mich überhaupt nicht belastet, dass ich bei der WM drei bis vier Kilo weniger auf der Kante hatte als die Top-Athleten. Im kommenden Winter will ich mein Zielgewicht erreichen und dort auch bleiben.
„Einen Weltmeister im eigenen Verband zu haben ist eine Riesenchance“
Mit Philipp Buhl trainiert ein Laser-Weltmeister im German Sailing Team. Wie sehr kannst du von Philipps Erfahrungen profitieren?
Philipp war für mich auch ein Grund, warum ich überhaupt in die ILCA-Klasse umgestiegen bin. Einen Weltmeister im eigenen Verband zu haben, ist eine Riesenchance vor allem für die Nachwuchssegler, weil die an solchen Leuten wachsen können. Wenn man Philipps Niveau erreicht, hat man vieles richtig gemacht und kann selbstbewusst in Regatten starten. Außerdem ist Philipp einfach eine geile Persönlichkeit, mit dem man gut klarkommt, über alles reden kann und die den deutschen Segel-Leistungssport prägt. Wir Jüngeren freuen uns über jede Chance, mit ihm trainieren zu können. Vor der WM haben wir in Kiel alle zwei Wochen lang zusammen trainiert und nächstes Jahr ist geplant, dass wir vieles zusammen machen. Das Wintertraining auf Lanzarote zum Beispiel.
Wie sehen deine nächsten Monate aus?
Die nächsten Monate werden sehr segelintensiv, worauf ich mich extrem freue. Aus der WM habe ich viel Motivation gezogen und kann es jetzt kaum abwarten, aufs Wasser zu gehen und weiter an mir zu arbeiten. Wir haben vor Weihnachten ein Blocktraining in Cádiz, verbringen anschließend den Winter auf Lanzarote, bis wir dann nach Mallorca reisen. Die Zeit dazwischen werde ich mit Krafttraining meine Gewichtszunahme fördern und mein Studium im Fokus haben.
Du lebst und studierst in Kiel. Wie klappt der Spagat zwischen Sport und Studium?
Das war eine lange Findungsphase. Ich war schon häufiger an der Uni eingeschrieben, war aber nie wirklich anwesend, weil mein Fokus auf dem Sport lag, vor allem nach dem Bootsklassenwechsel. Ein Studium habe ich parallel nicht geschafft. Daher habe ich mich jetzt entschieden, an der Fernuni Projektmanagement zu studieren, und bis jetzt bin ich happy damit. Ich bin dadurch sehr flexibel.
Gerade hat Philipp Buhl bekannt gegeben, dass er 2024 bei den Olympischen Spielen in Frankreich noch einmal an den Start gehen will. Was bedeutet das für deine eigenen Olympia-Ambitionen?
Für unsere ganze Gruppe ist es das Beste, das uns passieren kann. Wir können jetzt noch drei Jahre weiter an Philipp wachsen. Jeder will auf sein Niveau kommen. Um in die Weltspitze zu kommen und dort zu bleiben, braucht man Leute, die einen auch manchmal zur Verzweiflung bringen, weil sie immer vor einem sind. Wenn ich die Olympia-Qualifikation schaffen möchte, dann muss ich solche Spitzensegler im eigenen Verband schlagen können, aber das ist für 2024 nicht sehr realistisch. Ich nehme Los Angeles 2028 in den Blick.
Du hast deinen Alltag schon früh dem Leistungssport untergeordnet, bist mit 15 auf ein Berliner Sportinternat gewechselt. Wann hat es bei dir „Klick“ gemacht und du hast gemerkt, dass Segeln genau dein Ding ist?
Da gab es zwei Phasen. Als ich angefangen habe mit Segeln, da bin ich durch den Spaß und vor allem den Erfolgen immer dabeigeblieben. Mein Werdegang im Team mit Daniel (Daniel Göttlich, d. Red.), hat immer Laune gemacht. Wir haben zu zweit Riesenschritte gemacht und so viele Möglichkeiten gehabt, uns weiterzuentwickeln. Das erste Mal hat es so richtig „Klick“ gemacht, als ich mit 15 Jahren von zu Hause aus und auf die andere Seite von Berlin gezogen bin, um dort auf die Sportschule zu gehen. Das war natürlich ein riesengroßer Schritt, in dem Alter mehr oder weniger auf mich alleine gestellt zu sein, aber das wollte ich so.
Das zweite Mal „Klick“ war, als ich mich entschieden habe, aus dem 470er zu gehen. In der Phase habe ich viel die vergangene Zeit reflektiert und überlegt, was ich überhaupt erreichen will. Da habe ich richtig krass gespürt, dass ich Segeln will.
Dieses Bewusstsein „ich will das“ hat mir beim Umstieg in den ILCA sehr geholfen, denn ich bin genau zu dem Zeitpunkt in die Bootsklasse eingestiegen, als ich zu alt war für die Events im Juniorenbereich. Der Einstieg bei den Senioren ist generell schon für jeden ILCA-Segler schwer, und ich bin da jetzt als Anfänger rein. Das heißt, Erfolgserlebnisse über die Saisons zu sammeln wird sehr, sehr schwer. Umso wichtiger ist es, mit dem Kopf so stabil und fit zu sein, dass man trotzdem motiviert an den langfristigen Zielen arbeitet.
„Kindern eine Chance auf eine bessere Zukunft zu geben – das ist enorm wichtig“
In deinem Großsegel prangt groß das Logo von Plan International. Wie kam es zu dieser Partnerschaft?
Im Segeln habe ich gelernt, dass man nur durch Unterstützung seine Ziele erreichen kann und überhaupt die Chance hat sich zu entwickeln. Diese Unterstützung möchte ich zurückgeben und in anderen Bereichen helfen. Als ich mich entschieden habe, in den ILCA zu gehen, wollte ich meine Kampagne mit etwas verbinden, das der Gesellschaft einen Mehrwert gibt. Wir als Sportler haben eine Vorbildfunktion und die müssen wir nutzen.
Außerdem habe ich gemerkt, dass ich in meinem Sport den Blick immer nur auf mir selbst hatte und ein bisschen den Rundumblick verloren habe. Dank des Projektes richte ich meinen Blick auf Dinge, die viel, viel wichtiger sind als das, was ich selber mache. Kindern zu helfen und ihnen eine Chance auf eine bessere Zukunft zu geben – das ist enorm wichtig. Ich habe in der Vergangenheit außerdem häufig Probleme größer gemacht, als sie letztlich waren. Das Bewusstsein, wie gut es uns eigentlich geht, verliere sicher nicht nur ich manchmal. Wenn ich mich mit meiner Botschafterrolle auseinandersetze, dann komme ich wieder auf die wesentlichen Dinge zurück. Mir persönlich tut es sehr gut, das Engagement.
Wirst du bei Regatten oder Trainings auf dein Plan-Engagement angesprochen?
Ich denke, dass ich schon sehr viel Aufmerksamkeit erzielen konnte. Klar werde ich angesprochen, und ich konnte auch schon viele Leute davon begeistern. Das macht mich froh.
Magst du uns von deinem Patenkind erzählen?
Christabel ist 12 Jahre alt und lebt in Ghana. Ich wollte diesen Sommer eigentlich nach Ghana reisen, um an einem Hilfsprojekt teilzunehmen und sie persönlich kennenzulernen, aber das musste wegen Corona verschoben werden. Wir haben uns schon Briefe geschrieben, so hat sie etwas von mir und ich etwas von ihr erfahren. Ich habe ihr ein Bild von meinem neuen Boot geschickt, das ich „Christabel“ getauft habe.
Abschließend der Blick auf die kommende Saison: Was sind deine Ziele für 2022?
Die werde ich noch mit dem Bundestrainer Alex Schlonski durchsprechen. Für mich persönlich ist das Ziel, im Goldfleet bei großen Regatten anzugreifen und top Ten Ergebnisse in meiner Altersklasse einzufahren. Step by Step die Puzzleteile zusammenzubringen und immer weiter zu wachsen.