Marla Bergmann und Hanna Wille segeln zusammen im olympischen 49er FX und gelten als Duo mit viel Potenzial im Nachwuchskader des German Sailing Team. Die Saison 2021 hätte für die beiden Hamburgerinnen nicht besser laufen können. Sie gewannen die U21-Wertung bei der Junioren-Weltmeisterschaft und holten kurz darauf den Meistertitel bei der Deutschen Juniorenmeisterschaft. Bei der Europameisterschaft vor Thessaloniki messen sie sich nun mit der zukünftigen Weltspitze der olympischen Klasse. Im DSV-Interview erzählen sie von ihrem gemeinsamen Weg an die Spitze der deutschen Rangliste.
Wie kommt es, dass ihr beide zusammen in einem Boot sitzt?
Hanna: Als ich in der zweiten Klasse war, ist Marla mit ihrer Familie aus Berlin zu uns gezogen und in meine Klasse gekommen. Wir haben uns sofort gut verstanden und dann auch zusammen beim Mühlenberger Segel-Club Opti gesegelt. Parallel haben sich unsere Väter angefreundet, die nun zusammen 505er segeln. Ein schöner Zufall ist, dass unsere Segelnummer auch 505 ist.
Marla: Das wir zusammen segeln, hat sich erst entwickelt, Freundinnen sind wir aber schon lange. Nach dem Umstieg aus dem Opti in den 420er hatten wir beide erst andere Segelpartnerinnen, als uns für eine Regatta jeweils Vorschoter bzw. Steuerfrau fehlte, haben wir es einfach mal zusammen probiert, viel Spaß und sofort Erfolg gehabt. Dann sind wir zusammen 420er gesegelt, bis ich für ein Jahr nach Kanada gegangen bin und dort 29er gesegelt habe. Zurück in Hamburg haben Hanna und ich dann entschieden, künftig als Team BergmannWilleSailing direkt auf den 49er FX umzusteigen.
Warum habt ihr euch den 49er FX ausgesucht?
Marla: Das Boot bringt Spaß, ist schnell, hat eine hohe Leistungsdichte, den Reiz des olympischen Status und in der Klasse sind eigentlich nur nette Leute.
Hanna: Als wir uns für den 49er FX entschieden haben, hatten wir aber schon erste Erfolge und internationale Erfahrung. Wir waren beide im Hamburger Kader und im Team des Deutschen Segler-Verbandes bei den 420er Europameisterschaften 2017 in Athen.
Was habt ihr gemacht, um eure Segelkarriere voranzutreiben?
Hanna: Um mehr Zeit fürs Segeltraining zu haben, bin ich für die Oberstufe auf die Stadtteilschule Alter Teichweg gewechselt, die mir als Eliteschule des Sports sehr geholfen hat, Unterricht, Training und Regatten unter einen Hut zu bringen. Während der Woche haben wir in Hamburg nicht mehr trainiert, sondern sind immer übers Wochenende in Kiel bei unserer Trainingsgruppe gewesen.
Marla: Da wir im gleichen Schuljahrgang waren, hatten wir zeitlich parallel Abivorbereitungen und Prüfungen, so dass wir beide im gleichen Zeitraum mit dem Training kürzer treten mussten um ein gutes Abi zu machen. Danach haben wir beide wieder konsequent die Trainingszeiten hochgefahren.
Ihr seid nun beide nach dem Abitur nach Kiel gezogen, studiert ihr schon?
Hanna: Ich studiere Biologie und plane auf Medizin zu wechseln, im Corona-Jahr 2020 konnte ich die Online-Vorlesungen gut mit den Trainingszeiten auf der Förde kombinieren, wenn jetzt wieder die Präsenzvorlesungen losgehen, muss ich schauen, wie das passt.
Marla: Ich habe ein Jahr lang ein Bundesfreiwilligendienst im Krankenhaus gemacht und anschließend über die Sommerzeit Pause gemacht, um den Kopf frei zu haben für die Wettkämpfe. Zum Wintersemester fange ich an Medizin zu studieren.
Mit wem trainiert ihr in Kiel?
Marla: Wir trainieren mit einer festen Gruppe von insgesamt vier 49erFX-Teams, die sich bereits vor drei Jahren als „Schülergruppe“ gegründet hat. Unser damaliger MSC-Trainer Alexander Goltz hat uns den Kontakt nach Kiel und zu Coach Patrick Böhmer gemacht. In dieser DSV-Schülergruppe trainieren wir mit Inga-Marie Hofmann und Catherine Bartelheimer, Charlotte Henkel und Carolina Horlbeck sowie Maru Scheel und Freya Feilcke noch immer zusammen.
Hanna: Dabei sind wir vier Teams vom Niveau her sehr vergleichbar, wir haben nur bei den letzten Regatten mehr Erfolg gehabt. Bei der Junioren-Weltmeisterschaft in Gdynia im Sommer 2021, wo wir in der Frauenwertung auf den 3. Platz kamen, folgten unsere Trainingspartnerinnen auf den Plätzen vier und fünf. Und weil wir noch so jung sind, haben wir den Weltmeistertitel in der U21-Wertung geholt.
Normalerweise hättet ihr im Winterhalbjahr in Spanien, Frankreich oder Portugal trainiert. Wie habt ihr das im Jahr der Corona-Pandemie gemacht?
Marla: Wir sind in Kiel geblieben, haben trainiert so oft es geht und vor allem die Gym-Räume des DSV in Schilksee intensiv genutzt. Unser Ziel war es, nicht nur fit zu bleiben, sondern gezielt Muskeln aufzubauen, damit wir auch Gewicht zulegen. Bisher waren wir immer ein wenig zu leicht. Außerdem hatten wir viel Gelegenheit mit unserem Trainer Kolja Völkers zu „Sundowner-Sessions“ auf der Förde, bei denen wir gezielt Bootshandling trainiert haben.
Hanna: Unser großer Vorteil ist, dass wir in Kiel nur zwei Gehminuten voneinander entfernt wohnen, wir können uns schnell verabreden und treffen und haben dann raus nach Schilksee den gleichen Weg.
Woraus schöpft ihr die gemeinsame Motivation?
Hanna: Vor allem im letzten Jahr war Segeln für mich ein toller Ausgleich. Auch wenn viel zu tun war, haben wir uns oft spontan getroffen und noch ein paar Manöver geübt.
Marla: Natürlich spornt es an, wenn man gemeinsam Erfolg hat. Aber entscheidend ist, dass wir immer Spaß auf dem Wasser haben und uns auch gegenseitig wieder zum Lachen bringen können, wenn eine von uns mal ein Tief hat.
Wie könnt ihr eure Kampagne finanzieren?
Marla: Die Kosten für den Trainer unserer Schülergruppe werden durch den DSV bzw. vom German Sailing Team gedeckt, das hilft uns sehr. Wir gehören zum Nachwuchskader des DSV, sodass wir Unterkunft und Reisekosten erstattet bekommen. Auch das ist ein wichtiger Baustein bei der Finanzierung unseres Segelpensums.
Hanna: Zudem werden wir von der deutschen Sporthilfe im Rahmen der Nachwuchseliteförderung unterstützt und sind Teil von TeamHamburg, der Aktion, mit der die Stadt Hamburg Sportlerinnen und Sportler verschiedener Disziplinen fördert. Dazu kommen mehr und mehr Förderer und Sponsoren, 2020 haben wir den Nachwuchsseglerpreis der IMMAC bekommen. Und eine feste Stütze, auf die wir uns immer verlassen können, sind unsere Eltern.
Träumt ihr von dem Ticket für die Olympischen Spiele 2024 in Paris bzw. Marseille?
Marla: Träumen darf man immer. Aber welches deutsche Team in die Fußstapfen von Tina und Sanni (Anm. der Redaktion: Tina Lutz und Susann Beucke) tritt, wird sich zeigen, wir haben in Deutschland eine extrem hohe Leistungsdichte von jungen Seglerinnen im 49er FX.
Welche Tipps gebt ihr jungen Seglerinnen und Seglern, die auch nach oben an die internationale Spitze wollen?
Marla: Unser alter 420er-Trainer hat mal zu uns gesagt, dass im Segelsport nicht die oben angekommen, die am besten sind, sondern vor allem die, die am längsten durchgehalten haben, sich nicht entmutigen lassen und immer weitermachen.
Hanna: Zu zweit haben wir uns immer motiviert und neue, auch ehrgeizige Ziele gesetzt. Und über alles offen geredet, damit der gemeinsame Weg klar ist. Und ganz wichtig: Den Spaß dabei nicht vergessen!
Was habt ihr euch für die Europameisterschaft vorgenommen?
Hanna: Es ist das erste große internationale Zusammentreffen vieler Crews nach der Corona-Pause mit Ausnahme der Regatten im Juniorenbereich. Von den Olympioniken aus Enoshima ist kein Team da, es wird spannend zu sehen, wer hier vorne dabei ist.
Marla: Im letzten Jahr waren wir im Herbst bei der Europameisterschaft auf dem Attersee mit einem 18. Platz zweitbestes deutsches Team nach Tina Lutz und Susann Beucke. Nach den Rennen vor Thessaloniki wissen wir, wo wir jetzt, fast ein Jahr später, im internationalen Vergleich stehen und was wir können.
Alle Ergebnisse der 49er- und der 49er FX-EM finden Sie hier