Leistungssportler sein – was bedeutet das überhaupt? In einem zweitägigen Workshop vom DSV und dem Heinz-Nixdorf-Verein kamen über 30 Seglerinnen und Segler aus der Jugend-Nationalmannschaft vom 22. und 23. Mai am Bundesstützpunkt in Kiel-Schilksee zusammen. Aktive Spitzensportler und Experten aus verschiedenen Bereichen lieferten wertvolle Impulse.
„Leistungssport ist der beste Job der Welt“, ist Philipp Buhl überzeugt. Der Olympia-Teilnehmer im Laser gehörte zu den Referenten des Workshops für die Jugend-Nationalmannschaft. Buhl steht an der internationalen Weltspitze. Der Weg dorthin ist lang und birgt viele Herausforderungen. Längst nicht alle haben mit dem Segeln zu tun. Es geht auch um Schule, um Ausbildung, um Finanzierung und die Frage „wie bekomme ich alles unter einen Hut?“.
Die Seglerinnen und Segler der Jugend-Nationalmannschaft haben die erste Hürde für den Spitzensport bereits genommen: Durch hervorragende Platzierungen bei nationalen und internationalen Wettkämpfen haben sie die Kriterien für die Aufnahme in den Bundeskader erfüllt. Und außerdem überzeugten sie bei der Sichtung in Kiel auf dem Wasser und im persönlichen Gespräch. Nun geht es darum, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln.
„Die meisten Nachwuchssportler trainieren noch an ihren Heimat-Standorten“, sagt Bundesnachwuchstrainer Achim Hantke. Daher sei es besonders wichtig, einen gleichmäßigen Wissensstand zu erreichen und gleiche Voraussetzungen zu schaffen. Ziel des Workshops war es zugleich, einen größeren Austausch zwischen den Seglern aus den verschiedenen Bundesländern zu erreichen. Das Wissen, das im Workshop vermittelt wird, tragen die Segler nach Hause zu ihren Trainern, Vereinen und Trainingsgruppen.
Ein Schwerpunkt des Workshops war die Frage, wie der erfolgreiche Übergang von der Schule in die Leistungssport-Karriere gelingen kann. Neben Philipp Buhl berichteten Moana Delle, Olympiateilnehmerin 2012 im RS:X, und Thomas Plößel von ihren Meilensteinen. Thomas Plößel zeichnete den Weg vom Optisegeln bis zur olympischen Bronzemedaille 2016 nach. Dabei ließ er auch Misserfolge nicht aus, zum Beispiel zwei problematische Jahre im 470er. „Wir haben gelernt, Misserfolge durch Spaß zu kompensieren, zum Beispiel indem wir nach der Regatta Rückwärtssaltos vom Boot geübt haben“, erzählte Thomas Plößel.
Bei Moana Delle sprang der olympische Funke im Jahr 2005 über. Damals verbrachte sie ein Auslandsjahr in Neuseeland, bei dem sie Schule und Surftraining auf eine Art kombinieren konnte, wie es in Deutschland nie möglich gewesen war. Zurück in Deutschland fiel die Entscheidung für das Sportinternat am Bundesstützpunkt Kiel-Schilksee – einer von vielen Meilensteinen auf dem Weg zu den Olympischen Spielen 2012. Delle berichtete in ihrem Impulsvortrag auch von Rückschlägen: Nach einer Schulterverletzung 2008 fiel sie in ein tiefes Loch, musste lange pausieren. Erst ein längerer Aufenthalt auf Hawaii und in Neuseeland brachte ihr die mentale Stärke und den Spaß am Surfen zurück. „2010 war dann ein supergutes Jahr!“ Nicht nur deshalb sei der Leistungssport eine einmalige Chance gewesen, sich selbst kennenzulernen.
Nach den Sportlern sprach auch Petra Homeyer vom Olympiastützpunkt Kiel über die Möglichkeiten der dualen Karriereplanung. Die Leiterin des Sportinternates Kiel zeigte Möglichkeiten auf, sich zu informieren und weiterzubilden.
Segeln ist wie Schach, nur anders…
Um erfolgreich zu segeln, braucht es neben Wasser- und Athletiktraining auch umfassendes theoretisches Wissen. Meteorologie, Aerodynamik, Hydrodynamik… das Feld, in dem Segler sich bewegen, ist weit.
Um Grundkenntnisse aufzufrischen und ein tieferes Verständnis der Materie zu erreichen, konnten hochkarätige Referenten gewonnen werden. So vermittelte der Meteorologe Meeno Schrader, wie Wind überhaupt entsteht, wie man sich auf eine Regatta vorbereitet und welche Zeichen es am Himmel zu lesen gilt.
Die Komplexität des Segelsports brachte Tilo Schnekenburger auf den Punkt: „Segeln ist nicht wie Schach. Es ist wie Schach, bei dem das Spielfeld ständig verschoben wird“, sagte der Regattasegler und Mathematikdozent in seinem Vortrag über die Geometrie des Regattasegelns.
Um physikalische Grundlagen am Segelboot ging es im Vortrag von Kai Graf, Professor an der Yacht Research Unit der Fachhochschule Kiel. Segeln ist angewandte Strömungsmechanik – unter und über Wasser. Für Segler leiten sich daraus konkrete Fragen ab: Wie müssen die Abrisskanten von Ruder und Schwert beschaffen sein? Wie bekomme ich mein Unterwasserschiff möglichst glatt?
Während des Workshops waren als Vertreter des Heinz-Nixdorf-Vereins zur Förderung des Segelsports e.V. dessen Vorsitzende Petra Niemann-Peter, der stellvertretende Vorsitzende Thorsten Hülsmann sowie der Geschäftsführer Joachim Hellmich vor Ort. Petra Niemann-Peter gehört zu den erfolgreichsten deutschen Seglerinnen, war dreimal bei den Olympischen Spielen. Auch sie berichtete von ihren Erfahrungen aus dem Leistungssport, ebenso wie Joachim Hellmich und sein ehemaliger Starboot-Vorschoter Dirk Schwärzel.
Über die gesamten zwei Tage waren die Nachwuchs-Seglerinnen konzentriert und motiviert bei der Sache. Das zeigte auch die detaillierten Nachfragen zu den Impulsvorträgen. „Bis zum Ende wurden alle Vorträge hoch konzentriert verfolgt, trotz teils sehr komplexer Inhalte“, sagte Achim Hantke, „das hat mich sehr beeindruckt.“
Wofür es sich lohnt, zu lernen, zu trainieren, diszipliniert zu sein, das konnten die jungen Sportler zum Anfassen nah erleben: Erik Heil besuchte sie zum Abendessen. Der 49er-Steuermann zeigte Bilder von den Olympischen Spielen 2016, sprach von den emotionalen Momenten und auch der Nervosität beim Olympiadebüt. Seine Bronzemedaille hatte Heil mitgebracht; sie wanderte von Hand zu Hand. „Das sind bleibende emotionale Momente“, ist Achim Hantke überzeugt.
Herzlichen Dank an den Heinz-Nixdorf-Verein, an alle Referenten und alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer für zwei gelungene Workshop-Tage. Eine Fortsetzung ist für den Herbst bereits in Planung.