Mit seinem Sieg bei der internationalen Laser-Regatta in Portugal hat Philipp Buhl zu Beginn der Olympia-Saison viel Selbstbewusstsein tanken können. Vor Vilamoura setzte sich der 31-jährige Sonthofener Ende April beim ersten großen Aufeinandertreffen nach langer Wettkampfpause überzeugend gegen die olympische Konkurrenz durch. Wie der amtierende Laser-Weltmeister seinen Erfolg bewertet, wie er sich auf Japan vorbereitet und was ihm auf Kurs Enoshima wichtig ist, erzählt Philipp Buhl im aktuellen German-Sailing-Team-Interview.
433 Tage nach Deinem historischen WM-Triumph am 16. Februar 2020 hat die Olympiasaison nach langer Regattapause mit einem eindrucksvollen Erfolg für Dich begonnen. Wie ordnest Du Deinen Vilamoura-Sieg ein?
Philipp Buhl: Wenn man sich für einen Test nach längerer Wettkampfpause etwas wünscht, dann das. Von allen kleineren Trainings- und Coach-Regatten war diese Regatta die wichtigste, der einzige echte Test. Zwar passt das Wort Generalprobe mit Blick auf die Olympischen Spiele nicht ganz, weil es in Vilamoura viel mehr Boote waren, also eine andere Flotten-Charakteristik als in einem olympischen Feld. Auch das Revier ist ein anderes. Entscheidend war, dass mein Trainer und ich vorher Einschätzungen hatten, was unter welchen Bedingungen gut läuft. Diese Vermutungen willst Du bei einem Test abgleichen. Das haben wir sehr erfolgreich gemacht.
Und die Erkenntnisse?
Philipp Buhl: Es gibt Bereiche, in denen wir selbstbewusst agieren können. Unsere Einschätzung vor der Vilamoura-Regatta hat sich als richtig erwiesen: Bei viel Wind läuft es sehr gut, bei mittleren und leichten Winden gut. Wir teilen es in drei Bereiche ein: vier bis sieben Knoten, sieben bis zehn Knoten und elf Knoten bis Anschlag. Der oberste Bereich funktioniert sehr gut, der mittlere und der untere haben eine ähnliche Charakteristik. Ich werde wach und scharf agieren müssen, um dort das Maximum zu erreichen. Und hier liegt sicher ein Arbeitsschwerpunkt für die nächste Zeit.
„Der Wettkampf ist erbarmungslos“
Dem Kopf tut so ein Regattasieg im Olympiajahr gegen nahezu alle Olympiakonkurrenten bis auf Neuseeländer und Australier sicher gut…
Philipp Buhl: Ja, natürlich. Ich habe immer gesagt, dass im Laser bestimmt zehn Leute für den Olympiasieg und noch einige mehr für eine Medaille in Frage kommen. Der Wettkampf ist erbarmungslos. Mentale Stärke wird bei der Entscheidung im Kampf um die Medaillen eine wichtige Rolle spielen, denn herausragend segeln können die alle. Es wäre ein Fehler meinerseits, nach dem Vilamoura-Sieg zufrieden zu sein. Im Segelsport bist du nie fertig mit der Arbeit, nie perfekt. Es gibt noch so viel zu tun. Natürlich kam der Sieg zu einem guten Zeitpunkt. Auch für den Eindruck, den ich bei den anderen hinterlassen konnte…
Viele sagen, das im zweiten Pandemie-Jahr stark frequentierte Vilamoura-Revier sei dem Olympiarevier ähnlich und auch deshalb so beliebt. Richtig?
Philipp Buhl: Für den letzten Tag unserer Regatta stimmte es ganz besonders. Da herrschte großer Atlantik-Schwell zusätzlich zur großen Windwelle. So weit entfernt ist Vilamoura nicht von Enoshima, was die Bedingungen betrifft. Deshalb fahren wir Ende Mai voraussichtlich noch einmal zum Training und für eine von Vilamoura Sailing organisierte Club-Regatta nach Portugal. Es werden viele da sein…
„Corona hat uns gelehrt, flexibel zu bleiben“
Wie sieht Deine Vorbereitung auf die Olympischen Spiele darüber hinaus aus?
Philipp Buhl: Aktuell bin ich mit meiner Freundin zuhause im Allgäu bei meinen Eltern und genieße die kleine Auszeit sehr. Hier kann ich fahrradfahren, bergsteigen, Luft holen. Nach dem nächsten Vilamoura-Block werde ich Anfang Juni in Kiel etwas Motte und Laser segeln. Mitte und Ende Juni steht ein zehntägiges Trainingslager mit unserer internationalen Trainingsgruppe auf dem Plan. Das Revier dafür ist noch offen. Corona hat uns gelehrt, flexibel zu bleiben. Es könnte auch in der Ostsee stattfinden. Die letzten beiden Wochen vor dem zwischen dem 10. und 15. Juli geplanten Abflug nach Japan werde ich in Kiel verbringen, dort im eigenen Bett schlafen, mit meinem Trainingspartner Nik Aron Willim im Laser trainieren, mit Physio und Fitness noch einmal Kraft tanken. Dann geht es mit viel Elan in die 30-tägige Olympia-Bubble.
Du hast bereits Olympia-Erfahrung und kannst vergleichen, wie anders die Olympischen Spiele im Licht der Corona-Pandemie sein werden…
Philipp Buhl: Alles wird reduzierter und fokussierter sein. Der pure Wettkampf steht im Mittelpunkt. Es gibt kein internationales Zuschauerfest, nicht die vielen Begegnungen an Land, die Olympia sonst mitprägen. Das ist sehr schade, aber ich will das Beste daraus machen. Ich würde gerne in meiner bereits anbezahlten bescheidenen Wohnung in Enoshima wohnen und mit dem Fahrrad zum Hafen fahren. Doch wie es aussieht, geht so etwas in diesem Sommer wohl nicht.
Wie wird es stattdessen sein?
Philipp Buhl: Wir werden voraussichtlich alle im Olympischen Dorf wohnen, was in Enoshima ein großes Hotel ist. Wir fahren mit den offiziellen Olympia-Bussen zum Hafen und zurück, tragen Masken. Das alles ist in diesem Jahr ‚Part of the Games‘. Ich versuche, das Positive daraus zu ziehen: Es gibt weniger Ablenkung und weniger Begehrlichkeiten in meine Richtung. Es ist nicht so schön, wenn man über lange Zeit immer ‚Nein‘ zu Freunden sagen muss, die dich sehen möchten. Das fällt momentan einfach grundsätzlich aus.
„Auf meinen Trainer kann ich mich hundertprozentig verlassen“
Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat allen Athleten und Athletinnen im Team D die Impfung angeboten. Nimmst Du das Angebot an?
Philipp Buhl: Es ist gut, dass alle die Chance haben. Ich werde voraussichtlich ein ähnliches Angebot meines Arbeitgebers, der Bundeswehr nutzen, bin mir aber noch nicht sicher. So oder so werde ich meine ohnehin wenigen Kontakte in Richtung Abreise nach Tokio noch weiter reduzieren. Gefahren der Ansteckung vor Ort sehe ich kaum.
Du hast Deinem Trainer Alex Schlonski jüngst öffentlich gedankt. Wofür genau?
Philipp Buhl: Dafür, dass unsere Zusammenarbeit von Vertrauen und Professionalität geprägt ist und ich mich hundertprozentig auf ihn verlassen kann. Über die Gesamtheit der Zusammenarbeit kann ich mich glücklich schätzen, ihn zu haben. Unser Austausch ist sachlich und gut. Das gefällt mir. Natürlich hat jeder Potenziale, sich zu verbessern. Wir beide auch. Wir sprechen darüber und versuchen, diese Potenziale auszuschöpfen.
Lesen Sie hier ein Porträt von Alex Schlonski
Bei der Vilamoura-Regatta hast Du Doppel-Olympiasieger Robert Scheidt mit einem Punkt Vorsprung auf Platz zwei verwiesen. Der 48-jährige Brasilianer hatte nach Olympia 2016 seinen Rücktritt erklärt. Es folgte der Wiedereinstieg, der aber zunächst wacklig wirkte. Jetzt scheint Scheidt wieder voll da, oder?
Philipp Buhl: Ich hatte Robert Scheidt nie ganz abgeschrieben. Trotzdem hat es mich überrascht, dass er auch bei überwiegend Hängebedingungen mit gutem Speed so gut abgeliefert hat. Da kann auch ein Scheidt noch einmal Olympiasieger werden…
Und Du?
Philipp Buhl: Ich möchte eine Medaille gewinnen. Das ist mein Ziel. Der WM-Sieg hat mich auf dem Weg dahin ruhiger, aber nicht weniger entschlossen werden lassen.