Mit großer Leidenschaft für das Skiffsegeln, viel akrobatischem Talent und der Erfahrung aus 13 Jahren in einem Boot gestalten Justus Schmidt und Max Boehme ihre Olympia-Kampagne.
Das eingespielte Duo vom Kieler Yacht-Club zählt zu den mindestens vier Crews mit olympischen Ambitionen in einer der deutschen Segel-Paradedisziplin. Im ersten Olympia-Anlauf auf Kurs Rio de Janeiro hatten sich Justus Schmidt und Max Boehme ihren Freunden und Sparring-Partnern Erik Heil und Thomas Plößel 2016 knapp geschlagen geben müssen. Letztere gewannen – auch dank der starken und sogar von der internationalen Konkurrenz beneideten Trainingsgemeinschaft – 2016 die olympische Bronzemedaille im 49er.
Dieses Mal wollen „Smitty und Max“ den Spieß umdrehen und diejenigen sein, die das Ticket nach Enoshima lösen. Der Nationenstartplatz für Deutschland ist in ihrer Disziplin bereits gesichert, doch die nationale Ausscheidung beginnt erst noch und wird angesichts großer nationaler Konkurrenz zu den wohl spannendsten innerhalb der Segelnationalmannschaft zählen. Für den Kampf um nur eine deutsche 49er-Olympiafahrkarte haben sich die Kieler Europameister von 2015 und WM-Fünften von 2017 in den vergangenen Monaten nach längerer studienbedingter Pause mit dem „intensivsten Training unserer Karriere“ gerüstet und als deutsches Top-Team für die olympische Generalprobe im japanischen Revier qualifiziert.
„Das Boot verzeiht keine Fehler, belohnt aber dafür umso mehr“
Die Bootsnamen der Schleswig-Holsteiner sind stets Bond-Filmen entliehen. Damit aber „Kissy Suzuki“ oder „Honey Rider 2“ oder gar ein drittes, noch namenloses Boot tatsächlich bei Olympia zum Einsatz kommt, müssen Schmidt und Boehme sich national durchsetzen und ihren gesamten Erfahrungsschatz abrufen: Justus Schmidt startete bereits als Sechsjähriger im Optimisten durch, Max Boehme segelte im Alter von zwölf Jahren erstmals auf einem Folkeboot über die Kieler Förde. Beide haben von ihren ehemaligen Trainern Patrick Böhmer, Niels Siemsen und Thomas Rein viel gelernt, trainieren aktuell mit Heil/Plößel in Regie von Bundestrainer Marc Pickel. „Er ist Experte und Perfektionist und für uns ebenso wichtig wie Erik und Thomas als gute Freunde und Trainingspartner“, erklärt Max Boehme die Fortsetzung der deutschen 49er-Erfolgsstory, des 49er-Dream-Teams.
Seine Leidenschaft für den Sport in Wind und Wellen und insbesondere den rasanten 49er erklärt der Vorschoter so: „Segelsport ist unfassbar komplex und jeden Tag anders. Man kann es nie zu hundert Prozent richtig machen, weil die Natur am Ende immer gewinnt. Der Versuch jedoch, möglichst nah an die 100 Prozent zu kommen, der ist unglaublich spannend. Dabei ist der 49er ein sehr cooles Boot. Ich habe noch nie ein Boot gesegelt, dass sich so geil anfühlt, wenn es perfekt eingestellt ist.“
Steuermann Schmidt stimmt zu und ergänzt: „Der 49er ist vielleicht mit Blick auf den Katamaran Nacra 17 nicht mehr das schnellste olympische Boot, verfügt aber nach wie vor über eine wahnsinnige Eleganz. Das Boot verzeiht keine Fehler, belohnt aber dafür umso mehr, wenn man es als Team unter Kontrolle bringt und richtig trimmt.“ Beide Segler wissen, dass ihr außergewöhnlicher Teamgeist nicht nur mental unabdinglich ist. Auch das sensible Skiff ist nur im Gleichtakt in die Weltspitze zu bringen. Dazu brauche es außerdem einen guten Überblick und viel Gefühl für Speed, erklärt Max Boehme, der im Olympia-Sommer 2020 ebenso 28 Jahre alt sein wird wie sein später geborener Steuermann Schmidt.
Zur Entspannung von fordernden Einsätzen setzt Boehme auf Yoga, Schmidt mag seinen Kaffee am Morgen und die damit verbundenen ruhigen Minuten. Ihr Ziel für die olympische Regatta formulieren die beiden Mitglieder des Olympiakaders im German Sailing Team tatsächlich so deckungsgleich, wie sie an Bord ihrer Gleitjolle agieren: „Eine Medaille!“ Auch in Sachen Lebensmotto liegen sie nicht weit auseinander. Boehme empfiehlt: „Genieße, was du tust.“ Schmidt folgt der Herausforderung, „das zu perfektionieren, was mir am meisten Spaß macht“. Die Buch-Tipps der Norddeutschen gehen mehr auseinander, doch der Mensch steht immer im Zentrum. Der angehende Mediziner Boehme nennt augenzwinkernd „Harper’s Biochemistry“ als sein meistgelesenes Werk. Justus Schmidt hat sich von Ben Ainslies Autobiographie „Close to the Wind“ und dem „unzerstörbaren Willen“ des historisch erfolgreichsten Olympiseglers aus England ebenso begeistern lassen wie von „Sapiens“ aus der Feder von Yuval Noah Harari, „einem differenzierten und inspirierenden Blick auf die Geschichte der Menschheit“.
Das kommende Olympiarevier beschreibt der gebürtige Eutiner Schmidt als „unberechenbar, dem Wetter ausgeliefert und gewaltig“. Beim Medaillentipp für die deutsche Nationalmannschaft für Olympia 2020 sind sich der Mann an der Pinne und sein Mitstreiter ausnahmsweise einmal nicht ganz einig. Justus Schmidt tippt auf dreimal Edelmetall, Boehme auf zwei Medaillen. Vielleicht sind sie es ja selbst, die vor Enoshima im 49er für den entscheidenden Unterschied sorgen können.
Steckbrief: Justus Schmidt
Position: Steuermann
Bootsklasse: 49er
Geboren: 15. Mai 1992
Geburtsort: Eutin
Wohnort: Kiel
Verein: Kieler Yacht-Club
Trainer: Marc Pickel
Als Crew in einem Boot seit: 2006
Größe: 1,74 Meter
Gewicht: 80 Kilogramm
Beruf: Student Volkswirtschaft
Sponsoren: Club 49, ITT Port Consult, Immac, Team SH, Kieler Sporthilfe, Kieler Yacht-Club, Segler-Verband Schleswig-Holstein
Steckbrief: Max Boehme
Name: Max Boehme
Position: Vorschoter
Bootsklasse: 49er
Geboren: 22. August 1991
Geburtsort: Kiel
Wohnort: Kiel
Verein: Kieler Yacht-Club
Trainer: Marc Pickel
Als Crew in einem Boot seit: 2006
Größe: 1, 86 Meter
Gewicht: 80 Kilogramm
Beruf: Student Humanmedizin
Sponsoren: Club 49, ITT Port Consult, Immac, Team SH, Kieler Sporthilfe, Kieler Yacht-Club, Segler-Verband Schleswig-Holstein