Mit ihm kamen die Wende und der entscheidende Durchbruch: Der Brite Ian Barker arbeitet seit 2019 als Coach mit den 49erFX-Seglerinnen Tina Lutz und Susann Beucke.
Als er das Team im Oktober 2019 übernahm, segelten die deutschen Skiff-Damen längst im Oberhaus des olympischen Segelsports. Zum Team-Glück aber fehlte ein Quantum Speed und vor allem das zuvor zweimal knapp verpasste, ersehnte Olympiaticket. Mit ihrem neuen Trainer Ian Barker rückten Tina Lutz und Susann Beucke überzeugend vor, gewannen im dritten Anlauf die nationale Olympia-Ausscheidung und holten den Titel bei der Europameisterschaft 2020. In diesem Sommer starten sie als eine der internationalen Top-Crews in die olympische 49erFX-Regatta vor Enoshima.
„Es waren viele Dinge, die ich getan habe. Und es ist sehr gut gelaufen. Das ist nicht immer selbstverständlich“, sagte Barker zu Beginn der Olympiasaison 2021 über die Arbeit für das German Sailing Team und mit Tina Lutz und Susann Beucke. Als er die Mannschaft übernahm, wusste er: „Tina und Sanni segeln schon lange zusammen, haben viel Erfahrung in einem Boot und in der Klasse. Die einfache Antwort auf die Frage, was wir verändert haben? Ich habe sie etwas besser organisiert und ihnen einen Plan gegeben, mit dem sie arbeiten können. Und das tun sie. Als ich sie übernahm, waren sie trotz großem Potenzial mit eher unbeständigen Ergebnissen unterwegs. Jetzt sind sie top. Das ist der beste Lohn für einen Coach.“
„Was er sagt, bleibt krass im Kopf“
Ins Boot geholt hatten Tina Lutz und Susann Beucke Erfolgstrainer Barker, der seit mehr als zwei Jahrzehnten britische Olympiateams wie die Yngling-Golden-Girls 2004 und 2008, paralympische Weltmeister und Big-Boat-Crews wie auf „Magic Carpet 3“ coacht, anfangs mit klarer Zielsetzung. „Uns fehlte Speed im Boot und Ian Barker galt als ausgewiesener Speed-Experte im Skiff“, erklärt Susann Beucke die Initiative. In der Zusammenarbeit ergaben sich schnell weitere Pluspunkte, die zur engen Kooperation führten. „Ian hat uns unglaubliches Selbstvertrauen gegeben. Er sagt gar nicht so sehr viel. Aber was er sagt, bleibt krass im Kopf. Er selbst strahlt Ruhe und ganz starkes Selbstvertrauen aus und hat den richtigen Zugang zu uns gefunden“, erklärt Beucke das Trainer-Phänomen Barker. Der Brite sei penibel und kalkulierbar in dem, was er tue. „Er ist eine Koryphäe und gibt uns das gute Gefühl, dass wir schaffen können, was wir wollen“, sagt Beucke.
Zuhause ist der am 10. August 1966 in Cardiff geborene Segler und Trainer Ian Barker mit seiner Frau und zwei Kindern im Teenager-Alter in Christchurch unweit des bekannten Seebads Bournemouth. Seinen funkelnden Erfahrungsschatz hat er bei fünf Olympia-Teilnahmen als Segler und Trainer angehäuft. Zur Jahrtausendwende gewann Ian Barker mit Vorschoter Simon Hiscocks Silber im 49er bei den Olympischen Spielen in Sydney. Da hatte er schon sein Ingenieurs-Studium absolviert, arbeitete als Segelmacher und sammelte auch Bootsbau-Erfahrung. Barker ist mehrfacher Weltmeister in den Klassen Enterprise und 505er.
Im strukturierten Baustein-System zum Erfolg
Seinen Spitznamen aus den 1990er-Jahren ist Ian Barker indessen längst los: „Captain Splash“ wurde er damals genannt, weil er zu den ersten Seglern zählte, die den 1995 vom Australier Julian Bethwaite als One Design-Skiff für die Olympischen Spiele entworfenen 49er unermüdlich erprobten. Anfangs war das auch für Barker mit Kenterungen in Serie verbunden. Es gibt nicht viele, die diese High-Performance-Jolle und ihre 2016 erstmals bei Olympischen Spielen eingesetzte kleine Schwester 49erFX seglerisch und technisch so in- und auswendig kennen wie der Waliser.
Nicht nur diese Erfahrung macht ihn so wertvoll für die deutschen Skiff-Akteurinnen. Mit seinem Verständnis für die Komplexität des Regattasports, seiner Art, alle Felder Schritt für Schritt abzuarbeiten und dabei immer das große Ziel vor Augen zu haben, hat er Tina Lutz und Susann Beucke genau den Rahmen gegeben, den die Top-Crew auf ihrem olympischen Kurs brauchte. Dazu Routinen, die es zuvor in der Konsequenz nicht gab. „Wir haben beispielsweise einen Plan entwickelt, was genau wann an Regattatagen geschieht. Inklusive Anziehen, Gang zum Hafen und so fort. Das klingt reglementiert, hilft aber, weil man nicht mehr darüber nachdenken muss“, erklärt Barker diesen Baustein seines Programms.
„Das Ziel für Olympia ist eine Medaille“
Nach dem gleichen Schritt-für-Schritt-Prinzip entwickelt das Trio sein bestes Boots-Set-Up für Olympia. „Der 49erFX ist im Vergleich ein sehr technisches Boot. Man kann es vielleicht mit einem Rennwagen vergleichen. Bei uns gilt es, Rumpf, Anhänge, Mast und Segel in Abstimmung aufeinander zu optimieren“, erklärt Barker.
Seinen Schützlingen traut Barker mit Blick auf die Olympia-Regatta alles zu: „Tina und Sanni sind sehr gute Seglerinnen. Sie sind zwar ganz unterschiedliche Persönlichkeiten, harmonieren aber sehr gut. Sie sind physisch stark und können jetzt auch mental aus dem Vollen schöpfen. Tina war mal Opti-Weltmeisterin. Das ist ihr Stammbaum und zeigt auch, zu was dieses Team imstande sein kann. Das Ziel für Olympia ist eine Medaille.“
Der Tipp, den der 54-jährige Barker nachfolgenden Generationen von Olympiaseglern schon vor 21 Jahren nach seinem Silber-Erfolg in Sydney in einem BBC-Interview gegeben hatte, hat bis heute nichts von seiner Gültigkeit verloren: „Übt! Denn das ist etwas, das Freude macht und gleichzeitig große Wirkung erzielt. Wenn ihr merkt, dass ihr gut seid bei etwas, übt und arbeitet hart. Versteht den Sport und arbeitet an technischen Punkten. Vor allem aber: habt Spaß!“