Diese Olympischen Spiele waren in vielfacher Hinsicht besonders, an etlichen Stellen war Improvisation gefragt. Als die Trainer und Betreuer des German Sailing Teams ohne Abendessen dastanden, sprang der Team Manager von Erik Heil und Thomas Plößel spontan als Koch ein.
Abends ausgehen oder um die Ecke essen zum Mitnehmen holen verbot sich bei diesen Olympischen Spielen unter Corona-Bedingungen: Sportler, Trainer und Betreuer lebten in einer „Bubble“ mit möglichst keinem Kontakt zur japanischen Bevölkerung. Die deutschen Seglerinnen und Segler wohnten in einem olympischen Satellitendorf etwa eine halbe Autostunde vom Hafen entfernt. Da die Zimmerkapazitäten im Olympischen Segeldorf nicht ausreichend waren, wurde für die DSV-Trainer und -Betreuer nah des Olympiahafens ein von Tokyo2020 vorgeschlagenes Hotel gebucht, in dessen zwei Restaurants auch Abendessen serviert werden sollte. „Wir kannten das Hotel aus den Jahren zuvor und hatten gute Erfahrungen gemacht, somit hatten wir eigentlich keine Sorgen und dachten es wäre eine gute Lösung“, sagte DSV-Sportdirektorin Nadine Stegenwalner. Beim Einzug dann die Ernüchterung – seit 2019 hatte sich das Niveau des Hotels rapide verschlechtert. Die Zimmer stanken nach Rauch und beide Restaurants des Hotels waren entgegen aller Absprachen komplett an andere Nationen vermietet worden. Matratzen, Kopfkissen und Bettdecken tauschte das Hotel auf Drängen des DSV aus, doch die Essenssituation war immer noch unklar. Eine Alternative musste her – zwei Wochen lang beim Lieferservice zu bestellen wäre die denkbar schlechteste Option für das hart arbeitende deutsche Team gewesen.
An dieser Stelle kam Frithjof Schade ins Spiel. Als Team Manager und Boat Captain begleitet der 38-Jährige das 49er-Team Heil/Plößel rund um die Welt – so auch in der Vorbereitung zu den Olympischen Spielen. „Meinen Einstieg bei Erik und Thomas hatte ich als Koch“, erzählt Schade, der als Student in einem Restaurant jobbte und seither seine Fähigkeiten immer weiter verfeinert hat. Ebenfalls im Trainerhotel untergebracht, bot Schade spontan an, neben seinen anderen Tätigkeiten für das German Sailing Team während der Olympiaregatten die Versorgung zu übernehmen.
Gegessen wird an einer Tischtennisplatte
Gesagt, getan, seitdem wirkte Frithjof Schade in einer winzig kleinen Küche im vierten Stock des Hotels – „im Prinzip nur eine Herdplatte und ein Spülbecken“. Der Raum war so schmal und schlauchartig, dass Schade sich mit ausgestreckten Armen darin nicht drehen konnte. Einen Abzug gab es ebenso wenig wie eine Klimaanlage – „beim Kochen denkst du, du stehst in der Sauna.“ Da jegliches Küchen-Equipment fehlte, bestellte der spontan eingesetzte Koch im Internet eine Grundausstattung aus Töpfen, Messern, Schüsseln und Schneidbrettern.
Auch die Bestellung der Lebensmittel lief über Online-Services, da Frithjof Schade wegen der japanischen Corona-Auflagen nicht selber einkaufen durfte. Eine große Hilfe war ein japanischer Bekannter von Technologie-Bundestrainer Olli Freiheit, der teils die Einkäufe übernahm. „Ich habe ihm Bilder der Lebensmittel geschickt, die ich brauchte“, so Schade. „Das war einfacher als zu schreiben, zumal wir anfangs ein paar lustige Missverständnisse hatten: Einmal hatte ich zwei Gurken auf die Liste geschrieben, bekommen habe ich zwei Miniatur-Gurken, wie sie in Japan gezüchtet werden. Da musste ich den Plan fürs Abendessen ein bisschen anpassen.“
„Mit dem richtigen Timing kriegt man einiges hin“
Abends kam das Team vor dem Hotel an einer ausrangierten Tischtennisplatte zusammen – mit Tischdecke, immerhin. „Mit nur einer Kochplatte war ich natürlich ein bisschen limitiert“, sagt Frithjof Schade, „aber man hat schon schon einiges hinbekommen. Ich musste mir vorher einen guten Plan machen, das Timing war wichtig. Pastagerichte und Curries gingen gut, wir hatten aber auch zum Beispiel Rosmarin-Butter-Kartoffeln, Cevapcici, Tacos.“
Die gedeckte Tischtennisplatte diente als Treffpunkt zum Essen, aber auch, um den Tag Revue passieren zu lassen, sich auszutauschen oder einfach ein Bier zu trinken – das schmeckte eisgekühlt nach den Tagen in der heißen japanischen Sonne besonders gut. Den Trainern gefiel´s. „Ich habe mich jeden Abend auf´s Essen gefreut“, sagte Laser-Bundestrainer Alex Schlonski. „Frithjof hat es geschafft, dass wir uns trotz aller Umstände wohlgefühlt haben.“
„Ich bin Frithjof sehr dankbar, dass er so spontan eingesprungen ist und unser Team so gut umsorgt hat. Das Feedback der Trainer zu dieser Lösung war sehr positiv. Auch unsere Trainer und Betreuer sind mit der besonderen Situation sehr gut umgegangen sind und haben stets den Fokus auf die seglerische Performance des Teams behalten“, sagte DSV-Sportdirektorin Nadine Stegenwalner.