Am Sonntag beginnen die olympischen Segelwettbewerbe in Marseille und das German Sailing Team geht in allen 10 Disziplinen mit einer beeindruckenden Mannschaft an den Start.
Um die Wartezeit etwas zu verkürzen, stellen wir hier jeden Tag zwei Athlet*innen bzw. Teams vor – in der Reihenfolge, in der sie auch in Marseille an den Start gehen.
Leidenschaftlich, akribisch und beharrlich: Philipp Buhl ist der Inbegriff des olympischen Athleten und zählt zu den härtesten Arbeitern seiner Sportart. Seine schon eineinhalb Jahrzehnte währende Laserkarriere krönte der 34-Jährige 2020 als erster und bislang einziger deutscher Weltmeister im olympischen Ilca 7. Insgesamt vier WM-Medaillen (Bronze 2013, Silber 2015, Bronze 2018, Gold 2020) hat er seit dem ersten Podiumsplatz vor elf Jahren gewonnen. Beim dritten Olympia-Einsatz nach 2016 (14.) und 2021 (5.) kämpft der Allgäuer in der am stärksten umfochtenen olympischen Segeldisziplin um sein erstes Edelmetall im Zeichen der fünf Ringe.
Technisch ist der Ilca 7 – vormals bekannt als Laser – als Boot im Vergleich zu einem foilenden Katamaran wie dem Nacra 17 oder Skiffs wie 49er und 49er FX einfach gehalten. Dennoch oder gerade deshalb herrschen im Ilca 7 weltweit die höchste Leistungsdichte und der härteste Kampf in der Weltspitze – quantitativ und dadurch auch qualitativ. Es ist gerade diese pure Segelherausforderung auf Augenhöhe, die Philipp Buhl seit 15 Jahren sucht und als erfüllend empfindet. Er hat sich dem olympischen Lasersegeln verschrieben wie kein anderer hierzulande. Den Lohn dafür kassiert er als Podiumsfahrer und verlässlicher Leistungsträger regelmäßig.
Für seinen fokussierten Weg hat Philipp Buhl auf Studium oder eine klassische Wirtschaftskarriere verzichtet. Als Sportsoldat der Bundeswehr konzentriert sich der Allgäuer voll auf den Leistungssport, ist seit 2013 die deutsche Nummer eins im seit 1996 olympischen Laser-Segelsport. Gereifter und entschlossener denn je, nimmt der Allgäuer Kurs auf seine dritten Olympischen Spiele. Den laufenden Countdown genießt der Aktivensprecher der deutschen Olympiasegler im German Sailing Team: „Dieser letzte Abschnitt der Vorbereitung auf die olympische Regatta gibt mir ein sehr gutes Gefühl. Wenn du jeden Tag glasklar vor dir siehst, wofür du so hart arbeitest und vieles im Leben verpasst, ist das wunderschön. Mir bringt das jede Woche neue Motivation und mehr Vorfreude.“
Für seine Chance zum dritten olympischen Gipfelsturm musste Buhl mehr kämpfen als noch auf Kurs Enoshima, weil ihm mit Nik Aaron Willim der eigene Geselle im Team zum Ausscheidungsauftakt stark Paroli geboten und den Meister gefordert hatte. Am Ende aber setzte sich der in Kiel lebende und in Regie von DSV-Trainer Alexander Schlonski trainierende Philipp Buhl souverän durch. Stark gemacht hat ihn auch die internationale Trainingsgruppe, der mit Nik Willim, dem norwegischen Olympia-Dritten Hermann Tomasgaard und dem zwei Jahre älteren französischen 2022er-Weltmeister Jean-Baptiste Bernaz, der bei seinen fünften Olympischen Spielen im Heimatrevier mit besonderem Ehrgeiz antritt, herausragende Ilca-7-Athleten angehören. Sie haben sich für den Kampf mit den Klassenbesten gerüstet: dem amtierenden australischen Weltmeister und Olympiasieger Matt Wearn, dem britischen Top-Akteur Michael Beckett und weiteren Medaillenkandidaten.
Zweimal hat Philipp Buhl vor seinem dritten Olympia-Start in diesem Jahr mit Laser-Ikone Robert Scheidt trainiert. Für Buhl brachte es Ehre und Horizonterweiterung zugleich. Robert Scheidt ist der unumstrittene Allzeit-König der Lasergeschichte, feierte zwei Olympiasiege, alleine im Ilca 7 drei Olympia-Medaillen und neun WM-Titel. Scheidt hat dem Deutschen „wertvolle Tipps und viel Stärke“ mitgegeben. „Wir haben gemeinsam mit Alex und der Gruppe jeden Stein zehnmal umgedreht. Robert ist ein Detailfuchs mit starkem Überblick über Kurs und Geschehen. Er sagt, er beneidet mich um meine Position und die Chance auf eine Medaille, die ich habe. Die Arbeit mit ihm hat mir viel Selbstvertrauen gegeben.“
Als Athlet ist Philipp Buhl sonst eher Autodidakt: „Ich will immer versuchen, alles selbst zu verstehen.“ So ist er in seiner Kindheit im Weiler Sterklis in der Freiheit der Allgäuer Berge und auch im heimatlichen Segelclub Alpsee-Immenstadt groß und erfolgreich geworden. Das Segeln lernte er spielerisch, anfangs im Flying Dutchman von Vater Friedl Buhl, der über lange Zeit sein analytisch starker Coach war. In der Jugend auch ein erfolgreicher Skirennläufer, entschied sich Philipp Buhl aber dafür, den Segelsport zu seinem Lebens- und Arbeitsmittelpunkt zu machen. Seit 2017 ist er auch in der technisch anspruchsvollen foilenden Motte im Einsatz, zeigte als Dritter der EM 2022, wozu ein gestählter Olympionik mit klugem Kopf auch in der futuristischen und technologisch fordernden Foiling-Disziplin imstande ist.
Philipp Buhls dritter olympischer Gipfelsturm beginnt am 1. August. Die Medaillenentscheidungen fallen für die Einhand-Jollensegler am 6. August. Anspannung und Vorfreude begleiten den aktuell erfahrensten deutschen Olympiasegler im German Sailing Team auf Kurs Marseille. Der 1,87 Meter große Steuermann weiß, was es zum keineswegs selbstverständlichen, aber angestrebten Satz aufs Podium braucht: „Der unbedingte Wille zu gewinnen ist die Voraussetzung. Dann musst du in der olympischen Woche alle erlernten Skills abrufen können, darfst aber auch nicht überdrehen, wenn es darum geht, die Kür abzuliefern. Ich werde versuchen konzentriert abzuliefern, was ich gelernt habe.“
Philipp Buhl
Geboren: 19. Dezember 1989
Geburtsort: Immenstadt im Allgäu
Wohnort: Kiel
Verein: Segelclub Alpsee-Immenstadt / Norddeutscher Regatta Verein
Trainer: Alexander Schlonski
Größe: 1,87 Meter
Beruf: Sportsoldat
Geboren: 16. Dezember 1990