Am Sonntag beginnen die olympischen Segelwettbewerbe in Marseille und das German Sailing Team geht in allen 10 Disziplinen mit einer beeindruckenden Mannschaft an den Start.
Um die Wartezeit etwas zu verkürzen, stellen wir hier jeden Tag zwei Athlet*innen bzw. Teams vor – in der Reihenfolge, in der sie auch in Marseille an den Start gehen.
Wenn die iQFOiLer als erste Segelsportathleten am 28. Juli die olympische Regatta in der Bucht von Marseille eröffnen, dann hebt sich auch für Deutschlands besten Windsurfer der Vorhang zu einer vielfach spannenden Premiere: Sebastian Kördel vom Norddeutschen Regatta Verein ist das erste Mal bei Olympischen Spielen im Einsatz. Seine Disziplin ist zum ersten Mal Teil des olympischen Segelsport-Programms. Und erstmals wird in Frankreich im Kampf um olympische Medaillen im Windsurfen gefoilt.
Als Weltmeister 2022 und Vize-Weltmeister 2023 zählt der 31-jährige Sebastian „Basti“ Kördel zu den internationalen Top-Akteuren seiner Sportart. „Ich muss mich mit meinem Speed nicht verstecken, habe keine Limits in bestimmten Bereichen. Ich will um eine Medaille kämpfen und weiß, dass ich alle schlagen kann. Aber es sind weitere starke Akteure am Start und natürlich kommt es auf die Exekution an, wenn es wirklich zählt“, sagt Sebastian Kördel vor seinem Olympiastart.
Geboren in Radolfzell, machte auch Sebastian Kördel seine erste Bekanntschaft mit dem Segelsport in der Kinderjolle Optimist. Dann aber faszinieren den Schuljungen die Windsurfer auf dem heimischen Bodensee. Das will er auch und steht in einem Korsika-Urlaub mit seinem Vater als Siebenjähriger erstmals selbst auf einem Surfbrett. Sein Spiel verfeinert der Baden-Württemberger in den folgenden Jahren im Sommer wie im Winter, bestreitet schon mit zwölf Jahren erste Regatten. Erstmals Deutscher Meister „Overall“ wird er 2012. Als Windsurfprofi steigt Kördel im Weltcup auf, wird 2018 Vizeweltmeister der Professional Windsurfers Association (PWA).
Als mit dem Vormarsch des Foilings auch im Windsurfsport seine Disziplin ins olympische Programm für Paris 2024 gewählt wird, ergreift Sebastian Kördel die Chance mit beiden Händen. Im Schmelztiegel der neuen olympischen Disziplin iQFOiL, in der ehemalige PWA-Akteure und Windsurfer aus der vorherigen olympischen Disziplin RS:X aufeinandertreffen, kann sich der auch athletisch starke Kördel schnell nach oben arbeiten. Der 1,91 Meter große deutsche Windsurfriese, der mit dem Briten Dom Tidey seinen idealen Coach gefunden hat, zählt auf Kurs Marseille aber nicht nur körperlich zu den imposanten Größen seines Sports.
Inzwischen in Hamburg zuhause, wird Sebastian Kördel vom Norddeutschen Regatta Verein an der Alster und dessen Olympic Team gefördert. Bei den letzten Trainingsregatten vor Beginn der Olympia-Regatta zählt er nach fordernder Olympia-Qualifikation und kleinen Dämpfern wieder zu den Schnellsten. Doch Kördel weiß, wie heiß und hart es im Kampf um die Olympia-Medaillen zugehen wird, denn die Windsurfer haben es mit einem erbarmungslosen System zu tun: Sind die Schlussrunden – Viertelfinale, Halbfinale, Finale – erreicht, kann im Gegensatz zu den Jollen- und Katamarandisziplinen jedes Rennen das Aus bedeuten. Die Windsurfer nehmen ihre zuvor über fünf Tage ersegelten Punkte nicht mit in die Entscheidungen.
„Für die Show ist das natürlich super. Für die Athleten kann das auch traurig enden“, erklärt Sebastian Kördel die Gratwanderung zwischen Hochspannung und der auf den Punkt geforderten sportlichen Höchstleistung, bei der schon am Start Zentimeter-Unterschiede über Ausscheiden oder Weiterkommen entscheiden können. Er selbst könne „vergleichsweise gut mit dem Druck umgehen“, der sich am Finaltag ins Unermessliche steigern kann. Als Besonderheit sind für die iQFOiLer an den ersten beiden olympischen Regattatagen zusätzlich zwei „Marathons“ über jeweils rund eine Stunde angesetzt. Dafür jedoch muss der Wind passen. Andernfalls werden statt der beiden Langstrecken, bei denen es im rasenden Tempo durchs bildschöne Olympiarevier vor Marseille geht und neben Tempo und gutem Windgespür auch ein starker Orientierungssinn beim Finden und der Ansteuerung der Wendemarken gefragt ist, klassische Kurzwettfahrten ausgetragen. Geplant sind in der „Opening Series“ (Hauptrunde) bis zum Viertelfinale 22 Rennen.
23 Starter nur hat das olympische Feld der iQFOiL-Windsurfer im Gegensatz zu den großen Flotten bei internationalen Top-Events. „Ich freue mich auf die kleine Flotte. Man kann schnelle Setups fahren, Speed ist wichtig“, sagt Sebastian Kördel, dem auch das vielseitige Olympiarevier gefällt. Seine Kurzeinschätzung: „Wir haben warmes Wetter, klare Luft und die ganze Bandbreite an Windrichtungen und Windstärken zu erwarten. Sie reicht von knackigem Mistral bis zu leichten und drehenden Winden. Herausfordernd werden vor allem Südostwinde sein, die über die Berge kommen und Teile der Bucht ohne Wind lassen, während es anderswo böig und drehend zugeht. Perfekt ist es bei Seebrise.“
Was Sebastian Kördel in Marseille erreichen kann, wird der 2. August zeigen: Für die iQFOiLer ist es der Tag, an dem in ihrer Disziplin die ersten Medaillenentscheidungen im Segelsport fallen. Der Mann mit der ihm ans Herz gewachsenen Segelnummer 220, die bei Olympia den deutschen Farben Schwarz-Rot-Gold im Segel weichen wird, will dabei sein. Er glaubt an seine Chance und setzt dabei auch auf olympische Leidenschaft: „Das Besondere an den Spielen ist, dass man ein bisschen die Nation hinter sich vereint. Dass alle wollen, dass man gut fährt. Das ist schön!“
Sebastian Kördel
Geboren: 16. Dezember 1990
Geburtsort: Radolfzell
Wohnort: Hamburg
Verein: Norddeutscher Regatta Verein
Trainer: Dom Tidey
Größe: 1,91 Meter
Beruf: Profi-Windsurfer