Die Kämpferin: Formula-Kiterin LEONIE MEYER

Am Sonntag beginnen die olympischen Segelwettbewerbe in Marseille und das German Sailing Team geht in allen 10 Disziplinen mit einer beeindruckenden Mannschaft an den Start.
Um die Wartezeit etwas zu verkürzen, stellen wir hier jeden Tag zwei Athlet*innen bzw. Teams vor – in der Reihenfolge, in der sie auch in Marseille an den Start gehen.

Die Kämpferin: Formula-Kiterin LEONIE MEYER © DSV/Felix Diemer

Vom Teeny katapultierte sie sich übers olympische Skiffsegeln in die Weltelite der Formula-Kiterinnen: Leonie Meyer ist Segelsportathletin durch und durch. Auf Kurs Marseille strebt die 31-jährige Sportsoldatin, Medizinerin und Mutter aus Kiel ihrem ersten Olympia-Start entgegen. Auf dem Weg hat sie hohe Hürden nehmen müssen – jetzt ist sie bereit.

Ihr Vorname Leonie steht für „die Löwin“, „die Kämpferin“, „die Starke“. Das passt gut zu Deutschlands bester Kiterin, die auf Kurs Olympia so viele Herausforderungen zu bestehen hatte – und sie alle meisterte. Von Teamkamerad Flo Gruber als „Powerfrau hoch drei“ bezeichnet, steht die Leonie Meyer jetzt mit ihrer neu-olympischen Disziplin Formula-Kite vor einer spannenden Premiere in der Bucht von Marseille: Erstmals in der olympischen Geschichte werden in diesem Sommer Kitesport-Medaillen vergeben.

„Für mich wird ein großer Traum wahr. Ich freue mich auch sehr darüber, dass ich meinem Umfeld und den vielen Unterstützern meiner Kampagne mit der Olympia-Qualifikation etwas zurückgeben kann“, sagt Leonie Meyer. 2021 wurde sie Mutter und schloss im Herbst ihr Medizinstudium an der Universität in Kiel mit dem Staatsexamen ab. Das Triple-Programm mit Kind, Sport und Studium erforderte eine enorme Energieleistung. Auch deshalb kürte die Stiftung Deutsche Sporthilfe Leonie Meyer zur Sportstipendiatin des Jahres 2021.

Während das internationale Niveau im Formula-Kitesport mit dem olympischen Zuschlag für die Disziplin stark anzog, läutete Leonie Meyer 2022 nach Geburt und Studienabschluss ihr Comeback ein. Mit viel Unterstützung ihres Lebensgefährten Darian und der Eltern, stemmt die in Kiel lebende Osnabrückerin ihr strammes Programm und das Familienleben mit Sohn Levi. Der dreijährige Sonnenschein ist mit einer Unterschenkelfehlbildung zur Welt gekommen. Notwendige Operationen in den USA forderten Mutter und Kind viel Mut und einen langen Atem ab. Auf der olympischen Zielgeraden kann Leonie Meyer jetzt glücklich sagen: „Levi ist drei Jahre alt, fährt Fahrrad, redet ganz viel und ist ein fröhliches Kind.“

Dass Leonie Meyer bereits Ende 2022 wieder in ein WM-Halbfinale raste, war imposant. Seit Mai 2023 wird sie zusätzlich von einem DSV-Programm zur Förderung von Eltern im Spitzensport beflügelt. Leonie Meyer sagt dazu: „Es ist cool, Teil dieser neuen Zeit zu sein, in der sich viel zum Positiven verändert. Der DSV ist einer der Vorreiter-Verbände.“ Auf dem Wasser bei Idealbedingungen bis zu 70 Stundenkilometer schnell, zählt die Vizeeuropameisterin von 2020 zu den Pionierinnen ihrer Disziplin, in der mit vier unterschiedlich großen, nach Windbedingungen wählbaren Kites gearbeitet wird. Sie sagt: „Ich liebe am Kitefoiling besonders die Geschwindigkeiten. Es ist das schönste Gefühl, übers Wasser zu fliegen – das ist Adrenalin pur.“

Woher sie die Leidenschaft hat? „Ich glaube, ich habe von meinen Eltern einen sehr hohen inneren Antrieb mitbekommen. Meine Mama ist knapp an Olympia vorbeigesegelt. Auch deswegen ist es ein Riesentraum für mich, jetzt in Marseille antreten zu dürfen.“ Mutter Sabine Meyer war unter ihrem Mädchennamen Hellmich eine 470er-Spitzenseglerin, die ihren Olympia-Traum 1988 nicht ganz erreichen konnte. Vater Rolf Meyer war ein erfolgreicher 505er-Segler. Die Eltern förderten die talentierte Tochter in ihren Teeny-Anfängen auf dem Dümmersee, später als liebevolle Begleiter bei Skiffregatten rund um die Welt.

Im olympischen Countdown ringt Leonie Meyer noch um einige zusätzliche „gute“ Kilogramm Körpergewicht. Mehr Gewicht bedeutet bei den Kitern in der Regel auch mehr Speed. Manche Konkurrentinnen wiegen zehn Kilo mehr. „Wir arbeiten dran“, sagt Leonie Meyer mit strahlendem Lächeln. Auf ihrer Haben-Seite weiß die Kiterin vom Norddeutschen Regatta Verein ihre langjährige Segelausbildung als 49er-FX-Steuerfrau: „Mein taktisches Können aus dem Segelsport ist ein Vorteil.“

© DSV/Sailing Energy

Das Olympiarevier genießt sie zunehmend: „Es macht mir immer mehr Spaß.“ Gleichzeitig weist Leonie Meyer auf eine Besonderheit in der Bucht von Marseille hin, die jeden Kiter dort auf dem falschen Fuß erwischen könnte: „Der Wind kommt häufig nicht ganz bis ans Ufer ran. Muss jemand nach einer Kollision oder mit einem verhedderten Kite zurück an den Strand, kann es sehr schwer werden, wie gefordert aus eigener Kraft zum nächsten Start aufs Wasser zurückzukommen. Normalerweise warten wir in unserer Klasse in solchen Fällen, doch das wird bei Olympia kaum der Fall sein.“

Leonie Meyer fühlt sich in allen Bedingungen wohl, sagt aber: „Beim Wunschkonzert würde ich mir eher ein Leichtwindfinale wünschen.“ Ihr Credo auf Kurs Marseille, wo im kleinen 20er-Feld die Kiterinnen aus England und Frankreich sowie die sechsmalige US-Weltmeisterin Daniela Moroz als Favoritinnen aufkreuzen werden und ein weiteres halbes Dutzend Athletinnen Edelmetall-Chancen hat: „Wenn die Bedingungen passen und ich die beste Leonie in der Woche sein kann, die in mir steckt, dann kann ich auch mit einer Medaille nach Hause kommen.“

 

Alica Stuhlemmer

Position: Vorschoterin

Geboren: 24. August 1999

Geburtsort: Kiel

Wohnort: Altenholz

Verein: Kieler Yacht-Club

Trainer: Maurice Paardenkooper

Als Crew in einem Boot seit: 2017

Größe: 1,62 Meter

Beruf: Sportsoldatin